Ostern, eine Zeit der Besinnung

Octavian, der später als Kaiser Augustus gekrönt wurde, schloß auf der Insel Capri einen Pakt mit den Priestern des Mithrakultes, und mit Hilfe dieses Paktes gelang es ihm, die Herrschaft von Mark Anton und Kleopatra zu stürzen und das perfide Römische Reich zu errichten. Während seiner Herrschaft wurde Jesus Christus geboren. Augustus‘ Nachfolger, sein Adoptivsohn Kaiser Tiberius, kam ebenfalls auf Capri in den Genuß der Nachricht, sein Agent Pontius Pilatus hätte den Justizmord an Christus vollzogen.

Augustus und Tiberius haben in der heutigen Zeit viele Nachahmer gefunden. Dazu gehören der selbsternannte französische „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. und dessen Parodie Kaiser Napoleon Bonaparte und sein Nachfolger Napoleon III., die als die ersten faschistischen Regenten bekannt wurden. Fortgeführt wurde diese faschistische Wiederbelebung des antiken kaiserlichen Roms u. a. von den Anhängern Immanuel Kants und des ersten Philosophen eines faschistischen Staates, G. W. F. Hegel. In der gleichen Tradition stehen viele Anhänger der sogenannte Karlisten-Tradition der Hispanidad und der Konföderierten Staaten von Amerika, Benito Mussolini, Adolf Hitler und die faschistische Rechtstradition von Carl Schmitt, Roland Freisler und des heutige Richters am Obersten Gerichtshof der USA, Antonin Scalia. Dieselbe antichristliche Tradition erscheint in den heutigen Vereinigten Staaten in Form der militärischen Utopisten, die darauf aus sind, eine imperiale Form des universellen Faschismus nach dem Vorbild der britischen Nuklearutopisten H. G. Wells und Bertrand Russell zu etablieren. Dieser universelle Faschismus wird durch die Politik von Anhängern der Konföderiertentradition des Nashville-Agrariers William Yandell Elliot wie Zbigniew Brzezinski, Samuel P. Huntington und Henry A. Kissinger verkörpert.

In einer Zeit großer Bedrohung für die gesamte gegenwärtige und zukünftige Menschheit feiert die Christenheit die Karwoche. Wie sollten wir anläßlich des Osterfestes den gefährlichen Zustand der Welt beurteilen? Wie sollten alle Völker, gleich welcher Religion, in der ganzen Welt die beherrschenden Entwicklungen dieser Tage betrachten? Möge man ihnen mitteilen, daß von den Osterfeierlichkeiten eine Botschaft an all jene Menschen ausgeht, die darauf hoffen müssen, daß etwas Erhabenes gegen das mörderische Übel jener universellen Faschisten unternommen wird, die in diesem Augenblick die gesamte Menschheit bedrohen.

Ich bin kein Priester, sondern ein Mensch, der lediglich dazu bestimmt ist, als Gehilfe der Vorsehung zu dienen. Das sind die Grenzen meiner beruflichen Möglichkeiten, und somit stehe ich Ihnen an diesem Tag in dieser dringenden Angelegenheit zu Diensten.

Meine Botschaft an Sie lautet: Um Erhabenheit zu bewirken, muß man sich von einem erhabenen Gedanken inspirieren lassen und diesen Gedanken – wie es Johanna von Orleans tat – mit dem Willen verbinden, alles zu riskieren, was diese erhabene Absicht von einem verlangt.

Bei dieser Gelegenheit sollten wir unsere Aufmerksamkeit auf die großen Werke von Johann Sebastian Bach lenken, auf seine Johannes-Passion und vor allem auf die Matthäus-Passion. Diese musikalisch begleiteten Gottesdienste für die Osterzeit waren für die Mitwirkung der Gemeinde und der Musiker gedacht, damit sie die erhabene Erfahrung der Passion Christi selbst besser nachempfinden können. Die Bachschen Werke haben eine herausragende Kraft, mit der sie die klarste und liebevollste Botschaft vermitteln, die ein Christ in diesen schrecklichen Zeiten überall auf der Welt jedem Volk und jedem Stand verständlich machen kann.

Johanna von Orleans und Sokrates.
Wurden für ihre Überzeugungen getötet: Johanna von Orleans und Sokrates. Bild: Wikipedia/Eric Sakowski u. Eric Gaba

Vernehmen wir die Botschaft dieser Passion, deren Bedeutung die Apostel Johannes und Paulus aus ihrer damaligen noch vorhandenen Kenntnis des großen, verblassenden Erbes des klassischen Griechenlands unterstrichen haben – des Erbes von Platons Sokrates im besonderen. Erleben wir also die Passion Christi neu, denn Bachs Vertonung dieser Passionen bietet uns die Möglichkeit, das Erleben Christi und seiner Apostel in jener Zeit in seinen Grundzügen nachzuempfinden. Lassen wir uns mit Bachs Hilfe über die Jahrtausende zurückversetzen, um das historische Umfeld von Zeit und Ort, wo diese Ereignisse ursprünglich stattfanden, im Geiste nachzuerleben.

Welche Bedeutung sollen wir dann der Vorstellung beimessen, daß Christus kam, um die Menschheit vor etwas Schrecklichem zu retten? Vergegenwärtigen wir uns die schrecklichen geschichtlichen Umstände, die den Ereignissen zugrunde liegen, die in der christlichen Karwoche gefeiert werden. Um deren Bedeutung zu erkennen, muß man die verbreiteten Mißverständnisse von Begriffen wie „geistig“ beiseite lassen und die Person Christi so bewerten, wie es uns alle großen Wissenschaftler durch ihr Beispiel gelehrt haben, und wie ich es jetzt noch einmal aufzeigen werde. Sie haben uns wie Sokrates und der große Moses Mendelssohn gelehrt, daß das menschliche Universum im wesentlichen eine geistige Welt ist. Sie haben uns gelehrt, daß die Herausforderung für jeden von uns darin besteht, diese geistige Welt als das reale Universum anzusehen – als wirksame Realität, mit der sich die täuschenden Schatten der Sinnesgewißheit aufdecken lassen.

„Man hört sich keine Aufführung der Matthäus-Passion an, man lebt sie!“ Im Bild die Bach-Statue vor der Thomaskirche in Leipzig und die Partitur der Matthäus-Passion. Bild (Bach): Wikipedia/Zarafa
„Man hört sich keine Aufführung der Matthäus-Passion an, man lebt sie!“ Im Bild die Bach-Statue vor der Thomaskirche in Leipzig und die Partitur der Matthäus-Passion. Bild (Bach): Wikipedia/Zarafa

Um die Bedeutung der Ereignisse, die in einer guten Aufführung von Bachs Matthäus-Passion dargestellt werden, wirklich zu verstehen, müssen zunächst zwei Begriffe geklärt werden. Der erste ist die Bedeutung des Begriffs Geistigkeit; der zweite ist die Bedeutung des Begriffs Unsterblichkeit. Hinter diesen beiden Begriffen wird das Erhabene des Osterfestes deutlich.

Mensch oder Tier?

In der Naturwissenschaft liegt die wesentliche Funktion des Begriffs „geistig“ im Nachweis eines grundlegenden Unterschieds zwischen Mensch und Tier. Die strenge Definition dieses Wissenschaftsbegriffs wurde von Platon in die europäische Zivilisation eingeführt, der die Bedeutung des Begriffs in seinen sokratischen Dialogen darlegte. Der gesamte Fortschritt der modernen Naturwissenschaft entstand durch die Wiederentdeckung der Bedeutung dieser Dialoge im neuzeitlichen Europa – Dialoge, die das verkörpern, was kenntnisreiche Theologen unter „geistlichen Übungen“ (Exerzitien) verstehen.

Typisch für Platons Entdeckungen ist das, was sein pädagogisches Lehrstück des „Höhlengleichnisses“ darstellt. Er betonte, daß das, was unsere Sinne uns präsentieren, mit Schatten vergleichbar ist, die auf die Wand einer schwach vom Feuer beleuchteten Höhle geworfen werden, oder, wie der Apostel Paulus im 1. Korintherbrief 13 schreibt, durch einen Spiegel in einem dunklen Bild gesehen werden. Viele dieser Schatten sind echte Schatten, aber eben nur Schatten. Der wache Geist ist oft in der Lage, dahinter eine gewisse Falschheit zu erkennen, die uns zeigt, daß die Sinnesgewißheit eine imaginäre Welt solcher Schatten ist. Unter den Sinneseindrücken treten gewisse Widersprüche auf, die man im strengen wissenschaftlichen Denken als „ontologische Paradoxe“ bezeichnet.

So erkannte Pierre de Fermat, der große Wissenschaftler des 17. Jahrhunderts, die Bedeutung eines bestimmten Paradoxes, nämlich des Widerspruchs zwischen der Reflexion eines Lichtstrahls an einer spiegelnden Oberfläche in der Luft und der Brechung des Lichtstrahls in einem anderen Medium als Luft. Die weitere Erforschung dieses Phänomens hat gezeigt, daß ein elektromagnetischer Strahl nicht dem kürzesten Weg folgt, wie es die Euklidische Geometrie behauptet, sondern einem Weg, auf dem er sein Ziel in der schnellsten Zeit erreicht. Diese Entdeckung beweist die Effizienz eines einzelnen Prinzips, das sowohl die einfache Reflexion als auch die Brechung erklärt. Sie ist ein Beispiel für eine echte „geistige Übung“ in der Naturwissenschaft.

Brechung (unterer Lichtstrahl) und Reflexion (oberer Lichtstrahl) eines Lichtstrahls demonstriert an einem Plexiglas-Halbkreiskörper. Bild: Wikiwand
Brechung (unterer Lichtstrahl) und Reflexion (oberer Lichtstrahl) eines Lichtstrahls demonstriert an einem Plexiglas-Halbkreiskörper. Bild: Wikiwand

Diese Entdeckung zeigt uns ein Prinzip, das mit den Sinnen nicht wahrgenommen werden kann, dessen Wirksamkeit in der Praxis aber absolut ist, d. h. relativ zu jedem Objekt, das mit den Sinnen wahrgenommen werden kann. Alle wahren, experimentell nachweisbaren Formen universeller physikalischer Prinzipien haben dieselbe Eigenschaft. Jede experimentell bestätigte Entdeckung eines universellen physikalischen Prinzips, wie die ursprüngliche Entdeckung der universellen Gravitation durch Johannes Kepler, und jede wahre Entdeckung eines universellen physikalischen Prinzips seither, kam durch dieselbe Methode und dieselben Mittel zustande.

Wie eben gesagt, kein experimentell bestätigtes universelles physikalisches Prinzip wurde jemals direkt von den menschlichen Sinnen „gesehen“. Dennoch ermöglicht uns der experimentelle Beweis, die tatsächliche Existenz dieses Prinzips zu erkennen und es auf unser Geheiß zu nutzen, um die Macht des Menschen im und über das Universum zu vergrößern. Durch die Entdeckung und Anwendung dieser Prinzipien hat sich die Macht des Menschen, auf diesem Planeten zu existieren, von den wenigen Millionen Individuen, die ein affenähnliches Wesen erreichen konnte, auf heute Milliarden erhöht. Die Weitergabe und Erweiterung des Wissens solcher Prinzipien als kultureller Errungenschaft unterscheidet die menschliche Spezies absolut von den Tieren und erhebt sie über diese.

Die nur dem Menschen eigene Fähigkeit, solche Prinzipien zu entdecken und mitzuteilen, macht das Wesen der Menschheit aus. Diese Fähigkeit läßt sich als Erkenntnis oder Vernunft bezeichnen, im Unterschied zur bloßen deduktiven Logik. Im Gegensatz zu den Reduktionisten, die an den Aberglauben bloßer Schatten glauben, sind diese unsichtbaren, aber zwingend nachgewiesenen kognitiven Fähigkeiten die wirksame Substanz der geistigen Qualität, die den Menschen von den Tieren unterscheidet und über sie erhebt.((Siehe Bruce Directors Zusammenfassung der entscheidenden Implikationen von Carl Gauß‘ Fundamentalsatz der Algebra, worin Gauß den Schwindel der Reduktionisten Euler und Lagrange zum Thema des komplexen Bereichs entlarvt.))

Das ist die Natur des Menschen, und so müssen auch die sozialen Beziehungen zwischen allen Menschen geregelt sein.

Diese Qualität geistiger Fähigkeiten bezieht sich nicht nur auf die Beziehung des denkenden Menschen zur Natur im allgemeinen. Sie bezieht sich auch auf die Qualität der Beziehungen innerhalb der Gesellschaft, ohne die ein Fortschritt in der Macht des Menschen über die Natur nicht möglich wäre. Jene Formen klassischer künstlerischer Komposition und Darbietung, die die gleiche kognitive Qualität haben wie gültige Entdeckungen universeller physikalischer Prinzipien, spiegeln die gleichen Qualitäten des Geistes wider und erfordern den gleichen Grad an strenger, kognitiver Wahrhaftigkeit wie die Naturwissenschaft.

Zugegeben, Ignoranten werden einwenden, daß das einzig wahre Universum die universelle Sinnesgewißheit sei. Tatsächlich ist erwiesen, daß das erfolgreiche Überleben der Menschheit im realen Universum das Ergebnis der kognitiven Prozesse ist, durch die die Menschheit in der Lage war, die inhärenten Irrtümer bloßer Sinneswahrnehmung zu überwinden. Nur im kognitiven Bereich ist unsere Spezies in der Lage, im realen Universum effizient zu leben und zu prosperieren. Unsere Beherrschung dieses realen Universums ist der einzig mögliche Beweis für die Natur des realen Universums im Unterschied zu den schattenhaften Phantasien bloßer Sinnesgewißheit. Diese geistige Welt, die sich in unseren geistigen Übungen ausdrückt, ist die reale Welt.

Sterblichkeit und Unsterblichkeit

Im Johannesevangelium und in anderen Evangelien und Briefen wird die scheinbar paradoxe Vorstellung geäußert, daß Jesus Christus, der dann auf Tiberius‘ Befehl von Pontius Pilatus gekreuzigt wird und stirbt, nicht nur ewig leben wird, sondern es ihn bereits zu Beginn des Universums gab. Das entscheidende Paradox hier ist die Beziehung zwischen Sterblichkeit und Unsterblichkeit. Es gibt jedoch ein verwandtes, noch tieferes Paradox, nämlich den Begriff der Universalität selbst.

„Die menschliche Erkenntniskraft ist eine aktive, effiziente Verbindung zu allen Zuständen des Universums, die allem sterblichen Leben vorausgehen und folgen.“ (C. Flammarion, Holzschnitt, Paris 1888) | Bild/Kolorit: Heikenwaelder Hugo, Wien 1998
„Die menschliche Erkenntniskraft ist eine aktive, effiziente Verbindung zu allen Zuständen des Universums, die allem sterblichen Leben vorausgehen und folgen.“ (C. Flammarion, Holzschnitt, Paris 1888) | Bild/Kolorit: Heikenwaelder Hugo, Wien 1998

Die Passion sagt uns, daß Jesus Christus sowohl unsterblich ist, aber auch um der ganzen Menschheit willen sterben mußte. Wir müssen uns also damit auseinandersetzen, die Sterblichkeit des gekreuzigten Christus von der gleichzeitigen, aber unsterblichen, universellen, geistigen Kraft und Persönlichkeit desselben Christus zu unterscheiden. Seien wir dadurch versichert, daß die geistige Natur Christi somit von derselben ironischen Substanz ist wie die aller Menschen. Die menschlichen Beziehungen müssen entsprechend geordnet sein; jedes Recht muß vor der höheren, natürlichen Autorität dieses universellen Wahrheitsprinzips weichen. Was also, so fragt sich, ist unsterblich in unserem sterblichen Dasein?

Liegt darin nicht die gleiche geistige Qualität, die in Platons sokratischen Dialogen und entsprechenden geistigen Übungen zum Ausdruck kommt, welche den Menschen von den Tieren unterscheidet und über sie erhebt? Die Vermehrung und Weitergabe der Früchte geistiger Übungen stellen das kognitiv denkende menschliche Individuum in den Zusammenhang seiner Sterblichkeit. Seine Erkenntniskraft ist eine aktive, effiziente Verbindung zu allen Zuständen des Universums, die allem sterblichen Leben vorausgehen und folgen.

Man betrachte den historischen Rahmen der Geburt, des Wirkens und des Justizmords an Jesus Christus in der Zeit seiner großen imperialen Widersacher Augustus und Tiberius. Man vergegenwärtige sich die Bedingungen der Völker des Mittelmeerraums in den vorangegangenen halben Dutzend Jahrhunderten und in den mehr als zweitausend Jahren danach.

Bis kurz vor Ende des Zweiten Punischen Krieges war der Fortschritt der europäischen Zivilisation nach oben gerichtet, gefördert durch die Entstehung einer klassischen Form der griechischen Zivilisation. Diese klassische Kultur hatte sich überwiegend auf dem Vermächtnis der größten Epochen der ägyptischen Zivilisation entwickelt. Der Fortschritt der Wissenschaft, angeführt von Repräsentanten der Platonischen Akademie wie Eratosthenes, zeigte eine reale, wenn auch schwierige Verbesserung im Zustand der Menschen vor der Zeit der römischen Vorherrschaft in dieser Region. Die Ermordung des Archimedes von Syrakus durch die Römer steht somit exemplarisch für den Beginn der folgenden moralischen und intellektuellen Dekadenz, die trotz recht außergewöhnlicher Persönlichkeiten wie Cicero zum charakteristischen Merkmal der imperialen Herrschaft Roms bis zu deren endgültigen, unvermeidlichen Zusammenbruch wurde.

Die Wiederauferstehung der europäischen Zivilisation und die Entstehung des modernen, auf dem Prinzip des Gemeinwohls basierenden Nationalstaates verschob sich auf die Zeit nach dem Neuen Dunklen Zeitalter des 14. Jahrhunderts, als sich die italienisch geprägte Renaissance des 15. Jahrhunderts mit Brunelleschi, Nikolaus von Kues, dem großen ökumenischen Konzil von Florenz, Leonardo da Vinci und anderen entwickelte.

Große Fortschritte wurden seit diesem Umschwung im 15. Jahrhunderts erzielt, insbesondere in Frankreich dank der Johanna von Orleans, in England unter Heinrich VII. und Sir Thomas More sowie in Folge der späteren Gründung der USA als verfassungsmäßiger Republik. Dieser Fortschritt hatte jedoch einen gemischten Nutzen, der von einem anhaltenden Kampf zwischen der christlichen Wiederbelebung des klassischen griechischen Erbes und dem entgegengesetzten Fortbestehen jener romantischen Dekadenz geprägt war, für die sowohl das Erbe des Feudalismus als auch faschistische Kräfte wie die Nachahmer der Cäsaren, Napoleon Bonaparte, Adolf Hitler und die universellen Faschisten, einschließlich Brzezinski, in den heutigen USA stehen. Die Mission, die Christus zur Zeit des bösartigen Römischen Reiches übertragen wurde, ist für die europäische Zivilisation im besonderen und für das Wohlergehen der Menschheit im Ganzen noch immer eine unerledigte Aufgabe.

Die Mission Jesu Christi bleibt unvollendet.

Betrachten wir die Zunahme kultureller und moralischer Verderbtheit in der europäischen Zivilisation des 20. Jahrhunderts von der Zeit des ersten chinesisch-japanischen Krieges und der Ermordung von US-Präsident McKinley bis zum heutigen Tag. Betrachten wir die Art und Weise, in der zwei Weltkriege organisiert wurden. Betrachten wir die zunehmende kulturelle und moralische Verderbtheit, die Amerika und insbesondere Europa in den fast vier Jahrzehnten seit dem ersten faschistischen Attentatsversuch auf den französischen Präsidenten Charles de Gaulle, der Raketenkrise von 1962 und der anschließenden Ermordung von Präsident John F. Kennedy erfaßt hat. Betrachten wir die unmittelbare Gefahr, daß der gesamte Planet einem ewigen Krieg nach Vorbild des selbstzerstörerischen antiken kaiserlichen Roms ausgesetzt wird, eine Art Krieg, wie sie von Brzezinskis Genossen Samuel P. Huntington vorgegeben wurde, der sich dabei bewußt Hitlers Waffen-SS zum Vorbild nahm.

Wir befinden uns gegenwärtig in einer Zeit, in der sich das üble Vorbild Roms von Augustus und Tiberius so mächtig ausgedehnt hat, daß bereits vieles von dem zerstört wurde, was in den letzten Jahrhunderten von der global ausgedehnten europäischen Zivilisation erreicht worden ist. Das Erbe des Bösen des kaiserlichen Roms lauert überall – heute aber ausgestattet mit thermonuklearer Macht.

Dennoch fehlt es uns nicht an Möglichkeiten, die wir in den letzten zweitausend Jahren gewonnen haben. Wir können uns jene geistige Kraft zunutze machen, durch die das Beste der modernen europäischen Zivilisation entstanden ist, und wir haben das Bild jenes Jesus Christus vor uns, das sich in den Bachschen Passionen widerspiegelt. Dieses Bild war der fortwährende Einfluß, durch den insbesondere die europäische Zivilisation in der Lage war, all das Gute zu vollbringen, dessen wir uns seither erfreuen. Christus und seine Apostel leben gleichsam in uns weiter, indem sie uns das Wissen weitervermittelt haben, damit die Lebenden die Hoffnungen der Toten verwirklichen und die erhoffte Zukunft erschaffen können.

Klassische Wissenschaft und Kunst

Die Besonderheit der menschlichen Gattung ist nicht ihr genetisches Erbe, sondern ihre Kultur. Aus diesem Grund gibt es in der Tat keine menschlichen Rassen, sondern nur eine einzige Menschheit, deren Mitglieder die gleichen Eigenschaften haben, die jeden Menschen, selbst einen Kissinger oder Brzezinski, von den Tieren unterscheidet. Unter „Kultur“ sollten wir jene Qualitäten des menschlichen Geistes verstehen, die wir mit Hilfe geistiger Übungen erkennen. Das sind jene geistigen Eigenschaften, die kompetente Theologen wie Platon und Moses Mendelssohn als charakteristischen Ausdruck der unsterblichen Seele erkannt haben.

Damit kommen wir zum letzten einer Reihe von Mysterien, die es hier zu klären gilt. Was ist die Beziehung der individuellen Seele zu den vergangenen und zukünftigen Generationen der Menschheit? Wie ich in allen meinen entsprechenden wissenschaftlichen Schriften betont habe, ist die Qualität des Geistes, durch die die Entdeckung einer gültigen Hypothese erzeugt wird, Ausdruck einer vollkommen souveränen Eigenschaft dieses Individuums. Man kann das Denken einzelner Menschen nicht miteinander „verdrahten“, um ihre Fähigkeiten zu steigern oder um die von einem Denker gemachte Prinzipienentdeckung in einem anderen zu replizieren. Ideen dieser Art werden nur mit Hilfe der klassischen humanistischen Erziehungsmethoden kommuniziert, die in den letzten 35 Jahren praktisch systematisch aus allen Schulen und Universitäten verbannt worden sind.

Wie in jeder korrekten Wissenschaft üblich identifizieren wir jede ursprüngliche Entdeckung mit der Persönlichkeit ihres Entdeckers, da dies die einzige Art und Weise ist, in der uns Entdeckungen gültiger universeller physikalischer Prinzipien bekannt sind oder bekannt werden können. Wir wissen nichts, was wir nicht als hypothetische Lösung eines ontologischen Paradoxes entdeckt haben und was wir noch durch geeignete experimentelle Methoden beweisen müssen. So wäre eine kurze Zusammenfassung des Inhalts von Bachs Johannes-Passion oder Matthäus-Passion schon aus diesem Grund grundsätzlich dummes Geschwätz. Um zu wissen, muß man den Akt der Entdeckung erleben. Man hört sich keine Aufführung der Matthäus-Passion an, man lebt sie! Jede wirkliche physikalische Wissenschaft und jede große klassische Kunst wird auf diese Weise erfahren. Man muß sich von den Paradoxen packen lassen, nach den Hypothesen suchen und die Beweise finden, wie bei jeder echten geistigen Übung.

Durch ein solches Vorgehen in der klassischen Kunst und der klassischen Wissenschaft kann man die Seele eines anderen Menschen kennenlernen, und auf keine andere Weise. Darin liegt die Bedeutung der klassischen Kunst für den Gottesdienst – ausgenommen die romantische, „moderne“ und „populäre“ Kunst. So kann ein Blick auf eine Kathedrale die Wahrheit dessen verraten, was man in ihr erleben kann. Wenn die Verständigung innerhalb des Gottesdienstes nicht der kognitiven Wahrhaftigkeit einer geistigen Übung entspricht, ist sie nicht besser als leere Rhetorik.

Das hat sehr viel mit ernsthafter Politik zu tun.

Alle Errungenschaften der Menschheit, einschließlich der Fähigkeit einer Gesellschaft, auf ihrem gegenwärtigen Leistungsniveau fortzubestehen, hängen unbedingt von der Übertragung und Erzeugung universeller Prinzipien in der Wissenschaft und Kunst ab, von der Vergangenheit in die Zukunft und auf die Menschheit im weiteren Sinne. Grundlegende Entdeckungen wirken sich auf den einzelnen innerhalb der Kultur aus, was einer qualitativen genetischen Veränderung bei einer niederen Gattung gleichkommt. Die charakteristische Existenzfähigkeit dieser Gesellschaft erhöht sich durch die kognitive Aneignung gültiger Prinzipien der Wissenschaft und der klassischen Kunst und verringert sich, wenn eine solche Aneignung fehlt. Dies ist das „ökologische“ Merkmal des Menschen, welches ihn von allen niederen Lebensformen unterscheidet. Im Rahmen dieser Erfahrung, in der kognitiven Weitergabe gültiger universeller Prinzipien, drückt sich die Unsterblichkeit der individuellen Seele auf physikalisch effiziente und wissenschaftlich schlüssige Weise aus.

Jesus Christus (Gemälde von Rembrandt) | Bild: Wikipedia/Christoph Schmidt
Jesus Christus (Gemälde von Rembrandt) | Bild: Wikipedia/Christoph Schmidt

Zusammenfassend läßt sich über den Punkt, der hier hervorgehoben werden soll, folgendes aussagen.

Die Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele hat eine reiche Geschichte, die von Platons sokratischen Dialogen bis zu dem platonischen Begriff der Agape reicht, der von Paulus im 1. Korintherbrief 13 zusammenfassend ausgedrückt wird und das Johannesevangelium durchzieht. Der gleiche Begriff hat in die amerikanische Verfassung als Förderung des Allgemeinwohls der gegenwärtigen und zukünftigen Generationen Einzug gehalten, und entspricht ansonsten der Vorstellung, Gutes im Dienste des Gemeinwohls zu tun. Unsere Sorge um die Menschheit ist nicht mit dem Einsatz eines Landwirts für die Verbesserung seiner Rinderrasse zu vergleichen; unsere Sorge gilt dem Wohl aller Seelen, nicht nur der lebenden und der zukünftigen, sondern auch der vergangenen, in der Menschheit als Ganzes. Wie wahre christliche Missionare handelt wir nicht, um zu herrschen, sondern um zu dienen, damit die Menschheit sich selbst besser regieren kann, zum Wohle aller Seelen, der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen.

Dasselbe gilt für diejenigen, deren Aufgabe lediglich darin besteht, als Hand der Vorsehung zu wirken. Wir sind durch das Gefühl motiviert, in jedem Augenblick unseres sterblichen Lebens ewig zu leben.

So verstehen wir die Mission Jesu Christi, die vom Ort der Kreuzigung ausstrahlt. Diese Ausstrahlung von Agape, wie sie Johannes und Paulus beschrieben haben, ist der anhaltende Gewinn einer Idee, die sich durch die Jahrtausende hindurch bis zu uns heute erstreckt. Lassen Sie also die Matthäus-Passion auf sich wirken, und seien Sie anschließend ein besserer Mensch als zuvor. Vernehmet die Botschaft und handelt entsprechend. Die Auswirkung und die gegenwärtige und vergangene Bedeutung Ihres Lebens und das Ihrer Nation können von genau dieser Entscheidung abhängen, die in gefährlichen Momenten wie der gegenwärtigen Weltkrise getroffen wird.


Deutsche Erstübersetzung: Dr. Wolfgang Lillge