300 Jahre Sankt Petersburg: Die Berufung einer Stadt

„Schönheit ist nicht die Laune eines Halbgottes,

sondern die einsichtsvolle Berechnung eines Zimmermanns.“

– Osip Mandelstam

Bezüge zu Rußlands Vergangenheit waren für die Führung des nachkommunistischen Rußland immer unangenehm, und so waren die Feierlichkeiten zum 300. Geburtstag der russischen Kriegsmarine im Jahr 1997 nicht mehr als eine bürokratische Pflichtübung mit etwas falschem Pomp vor dem Hintergrund erbärmlichen Zerfalls dieses einstigen Prunkstücks der Landesverteidigung. Der Jahrestag wurde in der Öffentlichkeit auch bewußt heruntergespielt, um die Millionen Russen, die entweder vorzeitig in den Ruhestand gingen oder unter unglaublichen sozialen Bedingungen weiterdienen mußten, nicht noch mehr zu verletzen.

Ganz anders als dieser unterdrückten Gedenkfeier wird dem 300. Jahrestag der Gründung St. Petersburgs seit dem Amtsantritt des neuen russischen Präsidenten eine sehr hohe politische Priorität eingeräumt – und das nicht nur, weil es seine Geburtsstadt ist.

Die Gründung der Hauptstadt des modernen Russischen Reiches als Teil der Gemeinschaft Europas und der christlichen Zivilisation ist eine Ehrensache für die ganze „Petersburger Elite“ (oder „Petersburger Clan“, wie ihre Gegner sagen). Angesichts der Erinnerung an die große Geschichte sollen die Rivalitäten und Spannungen innerhalb dieser Gruppe überwunden und ihr denkender Teil zu einem neuen Verständnis der Berufung Rußlands angeregt werden.

„Das Fenster zum Westen“, wie ein genialer Dichter diese Intention eines genialen Staatsmanns genannt hat, soll nun als Dreh- und Angelpunkt einer neuen Außenpolitik dienen, gestützt auf die Tradition der russischen Souveräne in ihrer neueren Geschichte, die man seit dem 27. Mai 1703 rechnen kann. Der tragische Untergang der Kursk, just als man stolz die Macht und die Fähigkeiten der russischen Marine vorführen wollte, erinnert an die erste schmachvolle Niederlage des Heeres Peters I. in Narwa, wo ebenfalls die Stärke Rußlands unter einem jungen, ehrgeizigen Staatsführer vorgeführt werden sollte. Die Lehren aus dieser Episode, die auch in den antizaristischen Schulbüchern der Sowjetzeit systematisch heruntergespielt wurde, sollen als Anstoß dienen, die nationalen Strategien und politischen Pläne des russischen Staates grundlegend zu überarbeiten.

Als Wladimir Putin gegen die massiven Beeinflussungsversuche der Moskauer „Überlebenskünstler“ entschied, sich nicht der geopolitischen Linie Washingtons und Londons zu unterwerfen und nicht angesichts der offenkundigen Schwäche Rußlands „mit dem Strom zu schwimmen“, da hörte er offensichtlich nicht auf hilfreich-unterwürfige Berater, sondern auf die Stimme der neuen russischen Geschichte und ganz besonders der Tradition des Gründers seiner Heimatstadt, der es ebenfalls gewagt hatte, gegen den Strom zu schwimmen – und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als er sich zur Gründung der neuen Hauptstadt an der Mündung der Newa entschloß.

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Peter der Große

Gegen die Regeln des Chaos

Aus der Sicht eines Club-of-Rome-Ideologen war die Stelle, an der die Stadt gegründet wurde, ideal für ein „Biotop“ – fast unberührte Natur mit dichten Wäldern und weiten Sümpfen. Die Gezeiten des Meeres kehrten den sanft gekrümmten Lauf der Newa regelmäßig völlig um, so daß einmal eine ganze Garnison des schwedischen Heeres auf einer kleinen Insel buchstäblich hinweggespült wurde (wohl ironisch nennen die Schweden dies die „Lustinsel“). Genau an dieser Stelle ließ Peter I. seine Bastion errichten, die spätere Peter-und-Paul-Festung.

Bis dahin schrieb die allgemein anerkannte Tradition vor, daß alle Großstädte um einen mächtigen, geräumigen Kreml auf einer Erhebung zu erbauen seien. Aber an der Newa-Mündung gab es keinen Ort, der für einen solchen herkömmlichen Kreml geeignet gewesen wäre. Doch für Peter war das kein Hindernis. Die Festung auf der Insel wurde abgeschlossen mit einem riesigen schloßartigen Kronwerk auf dem Festland – genaugenommen auf einer größeren Insel, deren Hinterland später mehr als ein Jahrhundert lang als Aufmarschgebiet für Manöver und Militärparaden diente. Adlige, die jetzt nur noch über das Militär Karriere im Staat machen konnten, siedelten sich in der Umgebung an. Ein kleines Spiegelbild der neuen Stadt errichtete man parallel dazu auf einer kleinen Kotlininsel am Finnischen Meerbusen, wo die erste Satellitenstadt, Kronstadt, zu einem starken militärischen Vorposten ausgebaut wurde, der sie seither fast drei Jahrhunderte lang blieb.

Das Marschland am Finnischen Meerbusen entwickelte sich seit Peters Zeit zu einem bedeutenden Industriegebiet, u. a. weil es als idealer Ort für Schiffbau galt. Es war das wichtigste Industriegebiet der Stadt in der Zarenzeit, der Sowjetära und ist es heute noch. Das heutige Wahrzeichen der Stadt St. Petersburg, das Bild eines Schiffs, das sich um die Spitze des Gebäudes der Admiralität dreht, erinnert an das Segelschiff, das Peter I. mit seinen Riesenhänden persönlich aus dem Holz geschnitzt hatte – der einzige russische Herrscher, den das Volk als „den Zimmermann“ verehrte.

Das reichlich vorhandene Wasser, damals die wichtigste Vorbedingung für industrielle Entwicklung, beschrieb rasch den Ort, wo am Ufer der Großen Newa die ersten metallverarbeitenden Werke errichtet wurden: ursprünglich genau gegenüber der Festung und später am rechten Ufer, wo sich heute noch wichtige metallverarbeitende und Maschinenbaubetriebe befinden. Die einstige Villa des Grafen Kuschelew steht heute recht einsam zwischen den gewaltigen Gebäuden der Metallfabriken. Große Teile der Innenstadt entwickelten sich von Anfang an eher als Werkstatt der nationalen Industrie und weniger als Handelsplatz, wie es sonst bei den russischen Städten der Fall war.

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Am 30. Oktober 1711 fand in Torgau das erste persönliche Treffen zwischen G. W. Leibniz und Zar Peter I. statt.

So gesehen ist der Entwurf St. Petersburgs auch eine Kampfansage an die britische imperiale Freihandelslehre. Wenn Sie einen Petersburger fragen, welcher Teil der Stadt für die Banken vorgesehen war, wird er Sie erstaunt anschauen. Schließlich wird man Ihnen den Weg zu dem bescheidenen klassischen alten Gebäude weisen, das sich hinter der mächtigen Kasan-Kathedrale versteckt und das heute die Universität für Wirtschaft und Finanzen beherbergt. Das Bankenwesen war in St. Petersburg noch nie besonders wichtig, da es weder mit Industrie noch mit Bildung zu tun hat.

Die gewaltigen menschlichen Anstrengungen, die für den Bau dieser europäischen Perle Rußlands in einer völligen Wildnis notwendig waren, haben nichts mit Wirtschaft zu tun. Sie beruhen allein auf dem menschlichen Willen zur Selbstvervollkommnung und Verbesserung der Lebensbedingungen, gebündelt und gelenkt vom Willen eines aufgeklärten Staatsmanns. Solche Anstrengungen lassen sich nicht in Begriffen von Banken und Spekulation bewerten, und dank der heutigen Erben der Stadtgründer ist das Resultat auch heute noch ein dauerhafter und eindrucksvoller Widerspruch zu allen „unsichtbaren Händen“ der Welt – wie auch die heutige russische Staatsführung gegen mächtige globale Widerstände diese Kräfte herauszufordern versucht.

1976 erzählte man mir die Geschichte von Platon und den drei Maurern, denen die gleiche Frage gestellt wurde: „Was tust du da gerade?“ Einer antwortete: „Ich schleppe diese verdammten Steine.“ Ein anderer: „Ich arbeite, um meine Familie zu ernähren.“ Der dritte sagte: „Ich baue eine wunderschöne Kathedrale.“ Diese Geschichte erzählte man in Leningrad den Zuhörern an der Marxistisch-Leninistischen Universität, die der politischen Erziehung von Arbeitern und Studenten sowie älteren Schülern diente. Das Erbe Peters I., beruhend auf dem Prinzip, daß Menschen Schönes für die Nachwelt erschaffen, wurde bewußt oder unbewußt von allen verinnerlicht, die hier geboren und ausgebildet wurden, und das galt sogar für professionelle Parteipropagandisten.

Peters Vision als Herausforderung

Die obige Beschreibung macht deutlich, daß Peter der Große, wie alle begabten kriegerischen Männer, vom damaligen Gegner Rußlands soviel wie möglich lernte: Er entlieh viele bedeutsame strategische Elemente vom Entwurf der Stadt Stockholm, die ebenfalls an einer Flußmündung gebaut und durch Festungen auf angrenzenden Inseln geschützt wurde. (Das schwedische holm = Insel wurde im Russischen das Wort für „Hügel“.) Im Pionierwesen ließ Peter sich im wesentlichen von deutschen Fachleuten beraten, die seither und später in den russischen Adel eingingen und viel zu Rüstungsindustrie, Bergbau und medizinischer Forschung beitrugen.

Die Architektur der Stadt aber, die Millionen von Touristen aus aller Welt anzieht, ist vor allem ein Erfolg der italienischen Schule, angefangen mit dem Planer der Festung St. Peter und Paul, Domenico Tresini. Bemerkenswert ist, daß dieser Architekt auch die Zwölf Kollegien entwarf – das Gebäude der St. Petersburger Staatsuniversität auf der Insel St. Basilius, welche später mit Namen wie Dmitrij Mendelejew und Wladimir Wernadskij verbunden war.

In den Zeiten von Elisabeth I., Katharina II., Alexander I. und Nikolaus I. erweiterten die neuen, großen Paläste der Zaren und ihrer Erben das Bild der Stadt und ihrer Vororte; sie trugen aber mehr zur Grandeur des Reiches als solchem bei als zu der ursprünglichen Mission, die der große Gründer mit der Stadt verbunden hatte. Die übertriebene Pracht kontrastierte umso mehr mit der zunehmenden Häßlichkeit der Viertel der Unterschicht, womit die Ursache zu jenen sozialen Protesten geboren war, aus denen später die revolutionäre Bewegung entstand. Daß gerade das „Fenster zum Westen“, das Sammelbecken westlichen Denkens in Rußland, sich zum Mittelpunkt des revolutionären Denkens entwickelte, läßt sich kaum bloß damit erklären, daß es als „Fenster zum Westen“ auch ein Fenster für die revolutionären Theorien des 19. Jahrhunderts war. Die veränderte Wirklichkeit dieser Stadt, wo Zarenpaläste hoch über Peters Entwürfen thronten (er selbst hatte sich zuerst sogar mit einem kleinen Holzhaus als Wohnung begnügt), erzeugte einen mächtigen Wunsch nach gesellschaftlicher Veränderung, den das verschlafene patriarchale Moskau oder der pragmatische Kaufmannsgeist Nischni Nowgorods nicht aufkommen ließen. Die Korruption an der Spitze der orthodoxen Kirche und die Lüsternheit der Verwaltungskaste war offensichtlich und völlig untragbar für die gebildeten Arbeiter, die Nachfahren der Familien waren, welche die Stadt erbaut hatten.

So gesehen sollte der verzweifelte Held in Puschkins Bronzereiter – die erste drastische Warnung der Dichter an die Staatsführer – nicht Peter die Schuld an seinem Unglück geben, sondern dessen königlichen Nachfahren. Gleiches gilt für die ganze Galerie Dostojewskischer Typen, die vor dem Hintergrund von abstoßendem Luxus ihr Leben in erbärmlicher Armut fristen. Diejenigen, die Peters Festung in ein Gefängnis für „Nihilisten“ umwandelten, legten damit eine gewaltige Mine unter das ganze Staatswesen.

Nicht überraschend war Kronstadt mit seiner ganz eigenen, mit der ursprünglichen Vision von Peters Stadt untrennbar verbundenen Bevölkerung und Lebensweise, der Ort des größten Widerstands gegen die Macht der Bolschewiken – und später, im Zweiten Weltkrieg, wiederum die wichtigste Hochburg der Roten Armee.

Der erste nachsowjetische Gouverneur der Stadt, Sobtschak, der den westlichen oligarchischen Lebensstil bewunderte, sah in St. Petersburg das „Venedig des Nordens“ – ein Wort, das der französische Architekt J. B. Leblond prägte. Leblond wollte die Insel St. Basilius zu rein dekorativen Zwecken mit einer Vielzahl von Kanälen durchziehen, aber Peter lehnte dies ab, weil er die Insel als wichtigen Standort für Großindustrie ansah.

In St. Petersburg in erster Linie ein Touristenzentrum zu sehen, wie es Sobtschak tun wollte, widersprach dem innersten Kern der Pläne des Stadtgründers. So war es kein Wunder, daß er 1996 trotz großzügiger Unterstützung des Gasprom-Konzerns nicht wiedergewählt wurde.

Das Erbe Peters des Großen ist für die Vertreter des russischen Staates eine wirkliche Herausforderung. Die Menschen, die Peters Entwürfen folgten, bleiben im Gedächtnis der Bürger und dienen als ein von politischen Veränderungen unberührtes Vorbild. Bei der kommenden Wahl des St. Petersburger Gouverneurs 2004 werden die Bewerber sich an Männern wie Sergej Kirow und Grigorij Romanow messen lassen müssen, welche die Tradition des Stadtgründers am treusten weiterverfolgten und die Stadt zu einem Industrie- und Bildungszentrum ausbauten.

In einer weltweit verkündeten nachindustriellen Ära, vor dem Hintergrund des Niedergangs ganzer strategischer Wirtschaftszweige, herrschen in der tatsächlichen wirtschaftlichen Elite St. Petersburgs immer noch keine Bankleute vor, sondern einige ehemalige Direktoren großer Industriekombinate, die in Privatunternehmen umgewandelt wurden, sowie deren enge Partner in der Wissenschaftlergemeinde und der Verwaltung. Als sich kürzlich der Wirtschaftsentwicklungsausschuß des Stadtrats versammelte, um über einen neuen strategischen Plan der Stadtentwicklung zu beraten, diskutierte man dort vor allem über die zukünftige Bestimmung der Stadt hinsichtlich genauer Berechnungen ihrer Demographie, Qualität der Infrastruktur und Strategie der russischen Wirtschaft als Ganzer. Wer auch immer dafür planen wird, wird von Peters ursprünglichem Entwurf ausgehen müssen.

Die Brücke zur Zukunft

Die Entscheidung über die Zukunft der Stadt wird – ein fast schon mystischer Zufall – praktisch gleichzeitig mit der strategischen Entscheidung über Rußlands Bestimmung in der Welt überhaupt fallen. Bei den zahlreichen Treffen mit ausländischen Staatsführern, die gegenwärtig in St. Petersburg stattfinden, beschäftigt sich die russische Führung vor allem mit der großen Entscheidung, vor der nicht nur Rußland steht, sondern auch die ganze Wiege des Christentums und viele andere Teile der Welt. Soll man mit dem Strom schwimmen oder nicht? Soll man sich vom einzigen Imperium der Welt demütigen und manipulieren lassen, oder soll man die Vertreter der historischen Nachbarn zu einer gemeinsamen strategischen Berufung für die Zukunft beflügeln und die Stadt zum strategischen Schnittpunkt der Welt erheben?

Tatsächlich dient St. Petersburg, das als Rußlands „europäischste“ Stadt gilt, seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Fenster nicht nur zum Westen, sondern auch zum Osten. Über eineinhalb Jahrhunderte entwickelte die Stadt eine wissenschaftliche Tradition in der Orientologie. Im Januar 2003 hat der iranische Staatspräsident Chatami Prof. Jefim Reswan vom St. Petersburger Institut für Orientstudien für dessen Forschungen zur Geschichte der islamischen Theologie ausgezeichnet.

Im Februar reiste Gouverneur Wladimir Jakowlew zwei Wochen nach China und verhandelte dort über hochmoderne Vorhaben der russischen-chinesischen Wirtschaftskooperation. Es gibt zwar einige „oligarchische Widersprüche“, doch die Hauptlinie der außenwirtschaftlichen Strategie im Osten konzentriert sich auf die Erschließung der Rohstoffvorkommen und Bau der Infrastruktur im Fernen Osten. Daran sind die tatkräftigsten jungen Ökonomen aus St. Petersburg beteiligt – u. a. Alexander Nesis; sein Unternehmen hält den Hauptanteil sowohl an der Ostseewerft als auch am größten im Fernen Osten engagierten Bergbauunternehmen, der Polymetall-Gruppe. Der derzeitige Vorstandsvorsitzende von Polymetall ist Alexej Bolschakow, der in der Sowjetzeit Leningrader Vizebürgermeister war. Bolschakow hat das Vorhaben der Hochgeschwindigskeitsbahn Moskau-St. Petersburg vorgeschlagen und er war entscheidend verantwortlich für Wladimir Putins Aufstieg in Moskau. Die Ostseewerft, die Wiege der sowjetischen Atomeisbrecher, baut heute Schiffe für Indien und China.

Nicht zufällig beschäftigte sich eine der jüngsten Sendungen im Petersburger Kanal V zum 300. Geburtstag der Stadt am 13. April mit einem anderen großen Staatsmann, der 1892 Rußlands Finanzminister war: Graf Sergej Witte. Und nicht zufällig wurde in der Sendung besonders betont, daß der russische Staat sich damals Europa und Asien gleichzeitig zuwandte. Die heutigen Journalisten und Historiker zogen die historische Verbindung zwischen dem Stadtgründer und seinen ruhmreichen Nachfolgern im späten 19. Jahrhundert und erinnerten daran, daß der Bau der Transsibirischen Eisenbahn von der Chinesischen Ostbahn (Chita-Harbin-Dalyang) ausging. Sie ehrten die halbvergessenen Namen der Ingenieure und Spezialisten, die am Bau der Transsibirischen Bahn mitwirkten, wie den Leiter der staatlichen Kommission für den Bau der Bahn Anatolij Kulamsin und den in Europa ausgebildeten Ingenieur Prof. Lawr Prosukrjakow, der die meisten Eisenbahnbrücken auf der Strecke durch die fast unberührte Wildnis Sibiriens entworfen hat.

Wie in der Sendung ebenfalls berichtet wurde, legten Witte und seine Kollegen besonders großen Wert darauf, den Bau dieser gewaltigen Bahnstrecke mit russischen Arbeitskräften und russischen Materialien auszuführen. Die Personen, die zu den großen wirtschaftlichen Anstrengungen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts am meisten beitrugen, waren in Europa ausgebildete Russen.

Selbst zur Zeit Peters I., als den russischen Kräften die notwendige Ausbildung noch fehlte, wurde die Planung der Stadt nicht von eingeladenen Ausländern, sondern von Einheimischen ausgeführt. Die Architekten Pjotr Jeropkin, Michail Semzow, Iwan Korobow, Andrej Sacharow, Wasilij Baschenow sind nur einige der begabten Russen, die sich von Peters aus dem Ausland herbeigeholten Kollegen und Freunden wie Franz Lefort, Andrej Osterman, Domenico Tresini und anderen unterrichten ließen.

Das neue Rußland, das sich aus der erniedrigenden Abhängigkeit vom Weltwährungsfonds befreite und den Bau der Ostsee- und der Kaspischen Pipeline sowie der Baikal-Amur-Bahn vollendet hat, hat ein gewaltiges Potential an Rohstoffen, Fabriken und ausgebildeten Fachleuten für die Fortsetzung der strategischen Linie des Gründers von St. Petersburg – „eine Stadt, die auf Absicht gebaut“ ist, wie Fjodor Dostojewskij, kein Bewunderer Peters, einmal bekannt hat.

Nur so läßt sich die Brücke in eine bessere Zukunft bauen: auf Absicht und gegen den Widerstand wilder Kräfte in der Natur und in der Menschenseele. Der beste Rat, den man einem Menschen geben kann, der das Vertrauen in die Zukunft verloren hat, ist einfach: Besuchen Sie St. Petersburg, und der Anblick der Meisterwerke von Tresini, Sacharow, Woronichin, Rossi, Stackenschneider und Stasow wird Sie begeistern und Ihnen beweisen, welche Schönheit die größten menschlichen Tugenden schaffen können, und Sie werden erkennen, vor welcher großen Aufgabe die Menschheit heute steht, eine Brücke zwischen West und Ost zu bauen.