Lyndon LaRouche hielt diese Rede über den „Oasenplan“ zur Entwicklung des Nahen Ostens am 27. April 1994 im Institut für Orientalische Studien in Moskau. Er hielt sich mit seiner Frau Helga Zepp-LaRouche auf Einladung russischer Wissenschaftskreise zu einem sechstägigen Besuch in Rußland auf. Die Zwischenüberschriften sind eingefügt.
Ich möchte Ihnen zunächst einen Überblick über meine Erfahrungen in diesem Bereich geben und mich dann auf ein bestimmtes Thema konzentrieren, das nur einen sehr kleinen Teil des asiatischen Gesamtbildes ausmacht: die Frage des Friedens im Nahen Osten, die sich auf die derzeitige, wenn auch instabile Zusammenarbeit zwischen Shimon Peres auf der israelischen Seite und Yasser Arafat auf der palästinensischen Seite konzentriert. Natürlich gibt es auch andere arabische Länder, die daran interessiert sind. In diesem Zusammenhang habe ich zwei wichtige Erfahrungen gemacht. Erstens, nachdem ich aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt war, mit starken Eindrücken von meinen Nachkriegserfahrungen in Indien, stieß ich auf ein Buch, das meinen Unmut erregte – ein Buch von Prof. Norbert Wiener mit dem Titel Kybernetik, das später berühmt wurde…
Zwischen 1945 und 1963 dominierte in der Welt die Idee des Wiederaufbaus nach dem Krieg auf der Grundlage des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts, aber nach der gegenkulturellen Revolution der Jugend von 1968 wollten wir als Nationen die Idee des Rechts der Entwicklungsländer auf wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt nicht mehr akzeptieren. Die Zeit der ersten und der (gescheiterten) zweiten Entwicklungsdekade, wie sie UN-Generalsekretär U Thant in seinem berühmten Vorschlag vor der UNO verkündet hatte, war vorbei. Gleichzeitig fand in den Vereinigten Staaten, in Nordamerika und in Westeuropa eine Zerstörung aller traditionellen Familienwerte statt. Als Ökonom wußte ich damals, daß das internationale System von Bretton Woods in seiner bisherigen Form zusammenbrechen würde, wie es in den Jahren 1967 bis 1971 tatsächlich geschah. Aufgrund meines besonderen Erfolges bei der Vorhersage der Art dieses Zusammenbruchs erlangte ich einen gewissen Einfluß, und ich sah mich damals mit der Tatsache konfrontiert, daß die Welt nach weniger als zwei Jahrzehnten des Wiederaufbaus nach dem Krieg nun zu drei Jahrzehnten der Dekonstruktion übergehen würde. Wenn diese Politik der Dekonstruktion weitergeht, wenn die Politik der letzten 30 Jahre weitergeht, dann wird es meiner Meinung nach für keinen Teil der Welt eine Chance geben, sondern einen allgemeinen Absturz in die Barbarei.
In der Folge haben einige Freunde von mir und ich verschiedene Publikationen und einen Nachrichtendienst ins Leben gerufen. Meine Leute wurden zu Experten über verschiedene Themen in allen Teilen der Welt. Und über die Publikationen, die das Ergebnis dieser Bemühungen waren, war ich in den letzten 25 Jahren in Probleme überall auf der Welt involviert. Eines meiner Hauptinteressen galt der Kreuzung der Zivilisationen im Nahen Osten, der aus geographischen und anderen Gründen seit Tausenden von Jahren die Wegkreuzung zwischen dem Mittelmeer und dem Indischen Ozean ist, zumindest seit der Zeit der alten Zivilisation, die man manchmal Harappa-Kultur nennt. Aus besonderen Gründen beschäftigte ich mich insbesondere mit dem Unrecht, das der arabischen Bevölkerung infolge der britischen Aktion zur Gründung Israels widerfahren ist. Als ich im April 1975 den Irak besuchte, um an der Jahresversammlung der Baath-Partei teilzunehmen, schlug ich einigen arabischen Teilnehmern eine neue Herangehensweise an den israelisch-arabischen Konflikt vor. Die Idee war nicht ganz originell; in Israel gab es einige kurzzeitige Ansätze hierzu. Einige Araber waren [im Irak damals] zugegen, die daran glaubten – insbesondere als sie mitten in unseren Gesprächen erfuhren, daß im Libanon der Bürgerkrieg ausgebrochen war. Dieses Thema löste eine gewisse Debatte aus. Ich hatte zuvor unmißverständlich darauf hingewiesen, daß der Krieg ausbrechen würde. Als er dann ausbrach, konnten wir sehr ernste Diskussionen führen.
Die These, die ich vorschlug, war bereits in bestimmten Kreisen in Israel und bei einigen Palästinensern und anderen Arabern auf Zustimmung gestoßen. Ich erklärte, daß die Bemühungen um eine politische Lösung des Nahostkonflikts unter keinen Umständen erfolgreich sein könnten, weil alle Seiten extrem verbittert seien und diese Verbitterung nicht am politischen Verhandlungstisch gelöst werden könne. Bevor man eine politische Lösung finden könnte, müßten beide Parteien ein wirtschaftliches Eigeninteresse an einer politischen Lösung haben. Einige Israelis der gleichen Denkart, die man heute mit Shimon Peres in Verbindung bringen würde, stimmten dem zu. Zu Beginn des Jahres 1976 gab es erhebliche Bemühungen, dies zum Erfolg zu führen, aber aufgrund eines radikalen politischen Wandels in Israel zu dieser Zeit scheiterten unsere Bemühungen. Später unter Carter 1978 wurde versucht, das Projekt wiederzubeleben, als diesem in bestimmten Kreisen der Vereinigten Staaten eine gewisse Sympathie entgegengebracht wurde. Aber es scheiterte, weil die Kräfte innerhalb Israels zu dieser Zeit das Scheitern wünschten. Als Shimon Peres israelischer Premierminister war, gab es einen weiteren kurzen Versuch, das Projekt wieder aufzugreifen, sowohl von israelischer als auch von unserer Seite. Man einigte sich auf einige, wie ich meine, sehr nützliche Pläne, die aber durch den Regierungswechsel gestoppt wurden. Wie Sie wissen, wurde der Plan kürzlich auf Initiative von Shimon Peres in Verhandlungen mit Yasser Arafat wiederbelebt. Er könnte Erfolg haben, auch wenn das sehr fraglich ist.
Wasser und Kernenergie
Die Grundelemente des Vorschlags waren zwei Dinge: Wasser und Kernenergie. Eines der Hauptprobleme in der Region ist bekanntlich die Wasserknappheit. Der Wasserverbrauch der heutigen Bevölkerung, sowohl der palästinensischen als auch der israelischen, kann unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht gedeckt werden. Es gibt einen Konflikt um Wasser, weil die Israelis, offen gesagt, ihre Besetzungen dazu benutzt haben, allen das Wasser abzugraben. Das ist einer der Auseinandersetzungen mit Syrien in der Frage der Golanhöhen. Im Libanon geht es um den Litani-Fluß und ähnliche Dinge.
Wenn man sich die Grundwasservorkommen in der Region anschaut, gibt es nicht genug Wasser für die gesamte Bevölkerung – nicht für das Leben heute. Deshalb ist eine politische Aufteilung der bestehenden Wasservorkommen keine Lösung. Als wir Anfang der 1980er Jahre mit der Regierung Peres in Israel verhandelten, schlug diese den sogenannten Kanal-Tunnel-Plan vor, der vorsah, Meerwasser in einem Kanal vom Mittelmeer bis Beersheba zu leiten und dann einen Tunnel durch die Berge zum Toten Meer zu graben. Ihrer Ansicht nach könnte das Projekt zum Teil zur Stromerzeugung dienen und würde die Grundwasserleiter in der Nähe des Toten Meeres stabilisieren. Ich meinte, dies sei nicht ausreichend; es wäre gut, aber nicht angemessen. Wir konzentrierten uns auf das Gebiet von Gaza als wichtigsten Bereich für die politische Planung. Wir stellten fest, daß die Israelis bereits sämtliche Formalitäten und die Entwicklungsplanung für die Infrastruktur in diesem Gebiet abgeschlossen hatten. Meine Freunde versuchten, bestimmte Interessenten in Japan zu finden, die das Projekt nach diesen Plänen bauen und finanzieren wollten.
Meine eigenen Überlegungen bestanden aus zwei Teilen. Vor allem die Jordanier und die Palästinenser waren sehr an dieser Version des Plans interessiert, die darin bestand, eine weitere Verbindung zwischen dem Golf von Aqaba und dem Toten Meer zu schaffen, was im wesentlichen ein jordanisches Projekt war, um dann beide Kanäle durch einen Querkanal zu verbinden. Mein Ziel war es, die Kanäle so zu verbreitern, daß an den Kanalufern große Entsalzungsanlagen gebaut werden könnten. Da dafür Kernenergie benötigt wurde, ging es auch darum, die Probleme der nuklearen Proliferation zu vermeiden. Wie Sie vielleicht wissen, wurde vor einigen Jahren im deutschen Kernforschungszentrum Jülich ein neuartiger Hochtemperaturreaktor entwickelt, der manchmal auch als Kugelhaufenreaktor bezeichnet wird – ein vollständig neues, inhärent sicheres System. Aus wirtschaftlichen und politischen Gründen wurde es jedoch nie gebaut. Diesen Reaktortyp würde ich auch bestimmten russischen Kreisen empfehlen. Er wurde unter der Leitung einer Gruppe um Professor Schulten vom Forschungszentrum Jülich entwickelt. Ursprünglich war Brown, Boveri & Cie. als Auftragnehmer für den Bau dieses Reaktortyps vorgesehen. Meine Idee war es, eine Reihe von 300-Megawatt-Kraftwerken zu bauen und sie in Viererblöcken anzuordnen, so daß ein Nuplex entsteht, wie man das in den 1950er Jahren nannte.
Tatsächlich sind die Kosten für die nukleare Gewinnung von Süßwasser aus Salzwasser hoch, doch die Verfügbarkeit von nutzbarem Süßwasser in der Region ist ein solcher Engpaß, daß die hohen Kosten für Süßwasser aus nuklearer Entsalzung wirtschaftlich akzeptabel wären. Mit diesem Verfahren ließe sich sogar eine so große Wasserversorgung entwickeln, die einem neuen, zusätzlichen Fluß in der Region gleichkäme. Man könnte neue Städte bauen und die Wüste für Industrie und Landwirtschaft zurückzuerobern. Wie Sie wissen, gab es ähnliche Pläne in Ägypten, die auf Geheiß von internationalen Finanzinstitutionen gestoppt wurden. Ich erwähne dies nur, um zu zeigen, was getan werden kann. Wir verfügen über die Technologie, und es liegt auf der Hand, daß man hierfür das Potential der wissenschaftlichen, militärischen und Raumfahrtkapazitäten Rußlands als Schlüssel für den Frieden nutzen könnte, wenn sich andere an der Unterstützung solcher Projekte beteiligen würden und ein gewisses Maß an Krediten verfügbar wäre.
Der Ausweg aus der aktuellen Krise
Lassen Sie mich abschließend sagen, was das eigentliche Problem hier ist. Die gegenwärtigen negativen Trends in der Wirtschaft sind offensichtlich; und ich kann Ihnen versichern, daß das bestehende globale Finanz- und Währungssystem innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums zusammenbrechen wird. Es ist am Ende; es ist instabil. Was in den letzten sechs Wochen auf den internationalen Finanzmärkten zu beobachten war, ist nur ein Vorgeschmack auf weitaus größere finanzielle Verwerfungen, die noch kommen werden. Diese Probleme werden also bald Musik von gestern sein. Die Frage wird sein, wie man die Volkswirtschaften trotz des Zusammenbruchs am Laufen halten könnte. Und die Politik, mit der das erreicht werden kann, ist meiner Meinung nach die einzig wichtige Frage. In diesem Fall bin ich der Auffassung, daß die oft akzeptierte soziologische Sichtweise von Verhandlungen und großer Politik aufgegeben werden sollte. Ich meine, daß nicht nur die materiellen, sondern auch die psychologischen Auswirkungen der Entwicklung für den einzelnen Menschen der Schlüssel für eine friedliche Entwicklung dieses Planeten in der kommenden Periode sind.
In dieser Frage gibt es mehr als nur Versagen. Ich kenne zum Beispiel die meisten Länder Mittel- und Südamerikas sehr gut und ich kann Ihnen versichern, daß sich die soziologischen Methoden in diesen Ländern als völlig unbrauchbar erwiesen haben. Für mich ist der Schlüssel die Tatsache, daß der Mensch kein Tier ist. Wäre der Mensch ein Tier, fiele er in die gleiche Kategorie wie die höheren Primatenarten, was bedeutet, daß die menschliche Bevölkerung in den letzten 2 bis 3 Millionen Jahren nie mehr als 10 Millionen Individuen auf diesem Planeten gehabt hätte. Der Mensch hat bereits vor vielen Jahrhunderten bewiesen, daß er die potentielle Bevölkerungsdichte, d. h. die Macht des Menschen über die Natur, willentlich erhöhen kann, was kein Tier vermag. In der Zeit des Römischen Reiches und danach erreichten wir das Niveau von mehreren hundert Millionen Menschen. Die Produktivkraft des Menschen hat in den letzten 600 Jahren stärker zugenommen als in den Millionen Jahren der menschlichen Existenz zuvor.
Das Geheimnis ist, daß der Mensch die Wissenschaft als Werkzeug seiner Entwicklung genutzt hat. Nicht länger müssen 95 Prozent oder mehr der Bevölkerung unter der Brutalität des Landlebens leiden – das ist heute mit moderne Technologien nicht mehr nötig. Wir haben den Menschen erhoben, indem wir in der Gesellschaft eine Erziehung zu Ideen ermöglicht haben. Das Grausamste, was ich auf diesem Planeten je gesehen habe, ist, einem Menschen in die Augen zu sehen und zu erwarten, daß sich darin Menschlichkeit widerspiegelt, und stattdessen eine bestialisierte Person vorzufinden. Wichtig ist das, was wir bis Mitte der 1960er Jahre getan und akzeptiert haben. Ich bin sicher, daß alle von uns, die damals erwachsen waren oder in dieser Zeit aufwuchsen, über Gerechtigkeit für die Entwicklungsländer nachgedacht haben und ihnen Zugang zu Technologien verschaffen wollten, um ihre Probleme zu lösen. Heute neigen wir dazu, ihnen zu sagen: „Das Problem ist, daß es zu viele Menschen gibt.“ Ich meine, wir werden die Barbarei erleben, wenn wir unsere Politik nicht ändern, um dem Einzelnen durch den Zugang zu wissenschaftlicher und anderer Kreativität ein Gefühl für seine Identität als menschliches Wesen zu vermitteln.