Die Lehren der klassischen Tragödie für die heutige Krise

Auszüge der Rede der Vorsitzenden des Schiller-Instituts Helga Zepp-LaRouche auf der internationalen Konferenz des Schiller-Instituts in Bad Schwalbach am 13. Dezember 1997.


Im November 1997 erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein sehr lesenswerter Artikel von Dr. Barbara Zehnpfennig, in dem Alexander Hamiltons Federalist Papers als Vorbild für ein zukünftiges vereintes Europa angesprochen werden. Europa könne man nur auf einer großen Vision aufbauen, schreibt Dr. Zehnpfennig, nicht auf dem heute üblichen Kosten-Nutzen-Denken. Sie betont etwas, das eigentlich ganz offensichtlich ist, aber heute meist vergessen wird: Wir brauchen eigentlich gar keine neuen Ideen, sondern müssen nur auf das Fundament der europäischen Zivilisation zurückgreifen: die griechische Klassik und das Christentum, die für die gesamte Universalgeschichte der Menschheit Gültigkeit besitzen. Tatsächlich müssen wir, um die gegenwärtige Krise der Menschheit zu lösen, nur diese Ideen verwirklichen. (Dr. Zehnpfennig ist übrigens Assistentin an der Bundeswehrhochschule in Hamburg, und man kann nur hoffen, daß sich einige Leute dort diese Ausführungen zu Herzen nehmen.)

Ich möchte hieran anknüpfen und mich zunächst mit der griechischen Klassik beschäftigen, insbesondere mit den bedeutenden griechischen Tragödien, und darstellen, was hierin für die Lösung unseres Problems zu finden ist.

Die Zeit von den Perserkriegen bis zum Peloponnesischen Krieg ist zweifellos eine der bedeutendsten Epochen der Weltgeschichte. Man bezeichnet sie ganz zu recht als das „goldene Zeitalter“. Mit diesem 5. vorchristlichen Jahrhundert beginnt die europäische Kultur- und Geistesgeschichte. Den Kern dieser neuen Kultur bildeten die homerischen Epen, aus denen die Griechen seit dem 8. Jahrhundert vor Christus ihre Identität ableiteten, insbesondere aus der Figur des Odysseus, der sich gegen den bösartigen Gott Poseidon durchsetzen muß.

In der archaischen Zeit 750–500 vor Christus nahm Athen zunächst noch eine eher unbedeutende Stellung ein, wurde jedoch vor allem dank des Wirkens von Solon im 6. Jahrhundert die mächtigste Stadt Griechenlands. Im Jahr 500 vor Christus unterstützte die attische Volksversammlung den Aufstand der ionischen Städte in Kleinasien gegen die Perser. Die Perser schlugen den Aufstand nieder und schickten 494 zur Vergeltung eine Strafexpedition nach Athen. Diese wurde jedoch 490 in der Schlacht bei Marathon von den Griechen besiegt. 483 bereiteten die Perser dann einen neuen Angriff vor, um ganz Griechenland zu unterwerfen.

Athen begann daraufhin mit dem Bau einer Kriegsflotte, was die Stadt von Grund auf veränderte. Es war eine einzigartige organisatorische Anstrengung. Riesige Werften wurden errichtet und Experten aus vielen Ländern herangezogen, um die gesamte Bevölkerung auszubilden und auf den Krieg vorzubereiten. Die Athener lernten rudern – die Kriegsschiffe verwendeten damals Ruderer in drei Ebenen übereinander –, navigieren und taktisches manövrieren.

Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen wurde die ganze Stadt evakuiert. Im September 480 zerstörten die Athener die persische Flotte im engen Sund von Salamis; nun konnten auch die Griechenstädte an der kleinasiatisch-ionischen Küste befreit werden. Der Abwehrkampf gegen das Persische Reich war geglückt.

478 wurde der Erste Attische Seebund gegründet, damit besaß Athen die Vorherrschaft über das Ägäische Meer.

Es war das erste Mal in der Geschichte, daß ein großer Teil der Bürgerschaft an der Gestaltung der Politik des Staates beteiligt war. Erstmals trat der Gedanke auf, daß der Staatsbürger Mitverantwortung trägt, der einfache Bürger sich politisch engagiert. Dieser Dienst am Staate wurde als ehrenvolle Aufgabe angesehen. Das brachte ein neues Identitätsgefühl der Bürger mit sich: Die mittleren und unteren Klassen fühlten sich der Aristokratie gleichgestellt. Die Teilnahme an der Volksversammlung galt als bedeutsame Handlung. Die agora, wo nicht nur die Volksversammlung, sondern auch Theateraufführungen stattfanden, war ein wichtiger Ort. Der Begriff „Politik“ kommt aus dem Griechischen ta politika, was wörtlich übersetzt „Angelegenheiten des Bürgers“ heißt.

Beim ersten Angriff der Perser 490 verfügte Athen nur über eine Armee von 9000 Soldaten, den sog. Hopliten, die der Mittelschicht angehörten und ihre Waffen und Ausrüstung aus eigener Tasche bezahlten. Nur zehn Jahre später war Athen in der Lage, seine gesamte Einwohnerschaft zu mobilisieren.

Nach den Perserkriegen baute Athen den Seebund auf. Er umfaßte fast alle Küstenstädte und Inseln der Ägäis, am Bosporus und am Schwarzen Meer, auf Zypern, an der Südwest- und Südküste Kleinasiens und Mittelmeerküste Ägyptens. 70 Jahre lang herrschten 40.000 Athener über mehr als hundert Städte.

Während dieser Periode, im 5. Jahrhundert, wurde Athen erste Macht und kultureller Mittelpunkt Griechenlands: Es war eine Blütezeit wirtschaftlichen, kulturellen und geistigen Lebens, ob in den Handwerkskünsten, Handel mit Gütern aus aller Welt, Musik, Wissenschaft, kulturellem Optimismus, Schauspielkunst oder in den allgemeinen Lebensumständen und Arbeitsbedingungen.

Es gab zwei Arten von Bürgern: die hypsipolists, die politisch Aktiven, denen es um das Wohl der Stadt und die Einhaltung der Gesetze zu tun war, und die apolists, die Unpolitischen, die als Feinde der polists und Gefahr für die Stadt galten.

Interessanterweise hat Präsident Vaclav Havel in seiner jüngsten Rede vor dem tschechischen Parlament die Gruppe um den wegen Korruption zurückgetretenen Ministerpräsidenten Vaclav Klaus nicht wegen bestimmter konkreter Fehler angegriffen, sondern wegen ihrer allgemeinen Apathie und geradezu feindseligen Einstellung gegen alles, was auch nur eine entfernte Ähnlichkeit mit einer Bürgergemeinschaft hat. Tatsächlich existiere eine solche vielfältige Bürgergesellschaft in seinem Land überhaupt nicht, sagte Havel; daher komme für die Tschechen der Sturz der Regierung einem Zusammenbruch des Staates oder der Demokratie, ja dem Ende der Welt gleich. Ob Havel bei seinen Ausführungen zur Bürgergesellschaft auch an die Geschichte Athens gedacht hat, kann ich nicht sagen. Aber ist nicht genau dies das Problem unserer heutigen Gesellschaft? Daß wir keine Staatsbürger haben, keine Bürger, die sich um das Gemeinwohl kümmern?

Der Grund, warum korrupte Regierungen toleriert werden und die Menschen es seit Jahrzehnten hinnehmen, daß schlechte Eliten herangezogen werden, ist, daß die Mehrheit durch den Paradigmawandel der letzten 30 Jahre unpolitisch geworden ist. Man will sich lieber „gut fühlen“ als sich um das gesellschaftliche Gemeinwohl zu kümmern.

Beschäftigen wir uns deswegen mit der historischen Wende in der griechischen Geschichte im 5. Jahrhundert vor Christus Die Idee, den Bürger an der Macht zu beteiligen, war ein gewaltiger Fortschritt, denn bis dahin war die einzige Herrschaftsform die aristokratische Oligarchie. Welche geistigen Schritte waren für diesen Durchbruch nötig?

Die Tragödien des Aischylos

Den größten Einfluß auf diese Entwicklung hatte sicher der Dichter Aischylos, der von 525 bis 456 vor Christus lebte. Aischylos schrieb 90 Tragödien, Euripides und vielleicht auch Sophokles verfaßten ebenso viele. Schon allein die Zahl der Werke (von denen nur ein geringer Teil erhalten ist) macht deutlich, welche bedeutende Rolle das Theater und besonders die Tragödie in Athen gespielt hat. Die Dramen behandelten, indem sie sich auf die Mythologie stützten, soziale und politische Anliegen der Bürger. Es gab sogar jedes Jahr einen Wettbewerb der Tragödiendichter im Rahmen der Feiern zu Ehren des Gottes Dionysos. Aischylos gewann diesen dramatischen Wettstreit 13 mal, Sophokles 18 mal und Euripides viermal. Hunderte von Tragödien wurden damals geschrieben, doch von allen Dichtern war Aischylos der beliebteste.

Wie man sich angesichts dieser Dimensionen vorstellen kann, besaßen die Theateraufführungen und die tragische Kunst für die breite Bevölkerung eine große Anziehungskraft und waren Teil des Alltagsgesprächs. Und die Theater waren keine kleine Angelegenheit: Das wohl früheste Theater in Athen war der Südabhang der Akropolis, und der faßte etwa 15000 Personen. Wir wissen nicht, wie die Schauspieler das Problem der Akustik lösten – es gab natürlich keine Lautsprecher –, sie müssen sehr gut ausgebildete Stimmen gehabt haben.

Die wichtigste Tragödie des Aischylos ist Der gefesselte Prometheus, der erste Teil einer sonst nicht erhaltenen Trilogie, die 456 vor Christus in Athen uraufgeführt wurde. Das Stück spielt in der mythischen Vorzeit am Ende der Welt, dem Land der Skythen, wo nach damaliger Vorstellung die Erde endete und das Weltmeer begann. Dort ist Prometheus an einen Felsen geschmiedet, weil er es gewagt hat, das Menschengeschlecht zu erretten, indem er ihm u. a. das Feuer brachte.

Die Gestalt des Prometheus personifiziert das klassische Griechentum. Prometheus kennt das Geheimnis, wie Zeus sich selbst zerstören wird, aber er nimmt lieber unendliche Leiden auf sich, als Zeus dieses Geheimnis zu verraten. Die Königstochter Io wird einen Sohn gebären, der stärker als sein Vater sein wird; sollte Zeus also mit Io einen Sohn zeugen, so wird dieser ihn stürzen. Nur Prometheus kennt Ios Namen, aber er verrät ihn nicht, obwohl er furchtbare Folterqualen erleiden muß. Der Chor der Tragödie schildert die Ursache der Feindschaft zwischen Zeus und Prometheus, und was Prometheus für die Menschen getan hat. Hera, die Gemahlin des Zeus, läßt Io von dem hundertäugigen Argus bewachen, aber Zeus läßt diesen töten.

Der gefesselte Prometheus hat damals wahrscheinlich wie eine „Bombe“ eingeschlagen, denn Zeus, der verehrte höchste Gott des Pantheon, wird von Aischylos als übler Despot und Willkürherrscher dargestellt, der nach Belieben Menschen umbringen läßt; er gleicht ganz jenen Oligarchen, gegen die die Griechen selbst gekämpft hatten. Prometheus ist der einzige, der sich Zeus nicht unterwirft, und lehnt die Kompromisse ab, die ihm die anderen Götter vorschlagen.

Aischylos macht deutlich: Zeus kann sich nur retten, wenn er sich verändert und lernt, seine Untergebenen zu respektieren. Um seine Herrschaft zu erhalten, muß er Gerechtigkeit üben und neues Wissen akzeptieren. Der Gedanke, daß sich der höchste Gott des Olymp verändern muß, um nicht unterzugehen, war eine völlig neue und revolutionäre Idee.

Es wird auch ausführlich geschildert, was Prometheus für die Menschen getan hat. Zuerst gab er ihnen die Hoffnung, um ihnen die Angst vor dem Tod zu nehmen. Dann lehrte er sie die Bewegung der Himmelskörper, die Schrift, die Zahlen, Häuserbau, Tierzucht, Schiffahrt, Heilkunst und Bergbau. Prometheus leidet für die Menschen und gibt ihnen, was die Götter nur für sich behalten wollten.

Es war ein unglaublich mutiges Stück, denn es war für die Bürger von Athen geschrieben, die aktiv am politischen Leben teilnahmen, und sie wußten, daß es im Zusammenhang mit der Politik im Athen der Gegenwart zu verstehen war.

Aischylos war ungefähr 25 Jahre alt, als der ionische Aufstand ausbrach, und kämpfte selbst in der Schlacht von Marathon gegen die Perser. Der bedeutende politische Wandel fällt also in seine Lebenszeit. Die Uraufführung seines Stückes Der gefesselte Prometheus erlebte er im Alter von 69 Jahren, kurz vor seinem Tode.

Der gefesselte Prometheus zeigt die Transformation einer Gesellschaft, in der ein Axiomengebäude durch ein anderes ersetzt wird. Es wird die Frage nach der Identität des Individuums gestellt: Wie ist das Verhältnis des einzelnen zu Gott, zum Kosmos, zur Natur? Was ist falsch und was richtig? In dieser Zeit war sich der Mensch zum erstenmal in der europäischen Geschichte seiner Ideen bewußt, er hatte die Idee einer Idee, und dafür mußte er sich von der Herrschaft der Götter lösen.

Dies wird auch an der unterschiedlichen Kunst des archaischen und des klassischen Zeitalters deutlich. In der archaischen Kunst, wozu auch die Kunst der Ägypter gehört, sind die Figuren starr, während die wunderschönen Skulpturen der klassischen griechischen Kunst den Menschen in der Bewegung, also eine Ambiguität darstellen. Sie zwingen den Verstand des Betrachters, die verschiedenen Elemente zusammenzubringen; d. h. über die Sinne wird an die Vernunft appelliert, eine Idee zu bilden.

Für die europäische Zivilisation waren die griechische Tragödie und insbesondere Aischylos der erste Schritt. Ohne die Tragödie sind Sokrates‘ und Platons Werke nicht denkbar; die Griechen hätten ihre überlegene Denkmethode – die Idee der Erzeugung neuer Ideen, ohne die es keinen wissenschaftlichen Fortschritt gibt – nicht entwickeln können. Die griechische Klassik, wie sie sich in großen Tragödien, Kultur, Städtebau, der Wissenschafts-Akademie ausdrückte, und dann das Christentum, das auf dieser großen Tradition aufbaute und sie mit der Idee des Menschen als lebendigem Abbild des liebenden Schöpfergottes weiter entwickelte – wer würde daran zweifeln, daß dies tatsächlich das Fundament der europäischen Zivilisation ist!

Und heute steht diese wunderbare Zivilisation vor dem Untergang, weil sie den Menschen gleichgültig geworden ist, weil wir uns, besonders in den letzten 30 Jahren, von den Denkaxiomen der griechischen Klassik und des Christentums abgewendet haben. Statt dessen liefen wir Prinz Philip in die Falle, der eine Rückkehr zu den heidnischen Kulten der Gaja, Isis und Cybele fordert – Kulte, die nicht nur vorchristlich sind, sondern auch vorklassisch: eine Rückkehr zur imperialen Herrschaft der Götter des Olymp.

Wenn heute die europäische Zivilisation vor dem Untergang steht, weil unsere launischen Götter des Olymp – der IWF, die Weltbank, die Hedge-Fonds, die Investmentbanken und Spekulanten – wie Zeus im Gefesselten Prometheus bereit sind, die Menschheit zu liquidieren, nur um ihr oligarchisches Herrschaftssystem fortzuführen: Meinen Sie nicht, daß der Moment gekommen ist, daß jeder von uns ein Prometheus wird? Zu einer solchen Zivilisationskrise konnte es nur kommen, weil wir vergessen haben, daß es das Problem des Oligarchismus gibt. Für die selbsternannten Götter des Olymp zählt nur eines: Rettet die Banken und die Auslandsinvestoren, stellt sicher, daß die Schulden bezahlt werden – selbst, wenn wir die Schulden als ein Pfund Fleisch eintreiben müssen, wie es Shakespeare im Kaufmann von Venedig dargestellt hat. Präsident Havel hat vollkommen recht, wenn er sagt, daß nur eine Gesellschaft, in der die Bürger die gewählte Regierung und die Parlamentarier zur Verantwortung ziehen, funktionieren kann. Gibt es solche Bürger nicht, kollabiert die Gesellschaft.

Die bösartigen Oligarchen sind eine Sache; aber das Hauptproblem sind die unpolitischen Menschen, denen das Wohlergehen der Gesellschaft ganz egal ist. Sie müssen es sich selbst zum Vorwurf machen, wenn die Zivilisation zusammenbricht.

Wenn wir eine Lösung für dieses Problem suchen, geht es nicht um „Fakten“. Keine objektive Analyse der Statistiken erklärt uns die Ursache und die Lösung der Weltfinanzkrise. Es geht um viel mehr, um die Krise der gesamten Zivilisation. Und in der klassischen Tragödie können wir die Antwort finden.

Die Tragödie

Was ist eine Tragödie? Es ist eine historische Situation, die an die Hauptperson(en) außergewöhnliche Anforderungen stellt, die mit herkömmlichen Methoden nicht zu erfüllen sind. Nicht jeder Staatsmann oder andere führende Persönlichkeit wird automatisch zum tragischen Helden, wenn er mit einer solchen unlösbaren Situation konfrontiert wird. Ein tragischer Held muß in sich die metaphysische und charakterliche Stärke finden, die ihm ermöglicht, sich nötigenfalls selbst zu opfern, um seine moralische Unabhängigkeit zu bewahren.

Schiller erkannte, daß die tragischen Kunst zwei grundlegende Elemente besitzen muß: Sie muß tiefes Leiden darstellen, aber gleichzeitig auch eine moralische Unabhängigkeit in diesem Leidensprozeß. Die tragische Kunst muß sinnlich erfahrbar machen, daß die Moral im Augenblick des Leidens nicht von den Naturgesetzen abhängig ist. Ist diese moralische Integrität nicht vorhanden – die Bereitschaft, sich zu opfern, falls es die Situation verlangt –, stirbt die Tragödie, und es gibt nur noch Leiden. Dies können wir heute häufig feststellen: statt tragischen Helden nur Opferhaltung, Psychologie von Opfern.

In seinem literarischen Vermächtnis schreibt Schiller: Wir sind Menschen mit einem Schicksal. Wir unterliegen Naturgesetzen. Daher müssen wir eine höhere, stärkere Kraft in uns selbst erwecken und anwenden, um uns noch einmal selbst zu erschaffen. Die Tragödie macht aus uns keine Götter, denn Götter leiden nicht, aber sie macht uns zu Helden, d. h. göttlichen Menschen – oder, wenn Sie so wollen, leidenden Göttern, Titanen.

In historischen Momenten wie dem, den wir gegenwärtig erleben, wenn die ganze Gesellschaftsordnung zusammenbricht, gibt es keinen Unterschied zwischen der klassischen Tragödie und der Weltgeschichte. Ein tragischer Charakter ist im wesentlichen ein gespaltener Charakter: Er verkörpert die Gespaltenheit einer Menschheit, die durch ihre falschen Wertvorstellungen eine scheinbar unlösbare Situation geschaffen hat.

Stellen wir uns einen solchen Charakter auf der Bühne vor: der mächtigste Herrscher einer Welt, die an den Mängeln ihrer eigenen Kultur zugrunde geht. Eine solche Figur ist ein gespaltener Mensch. Einerseits ist er Teil und Produkt dieser zusammenbrechenden Zivilisation, andererseits läßt ihm sein Gewissen keine Ruhe. Er weiß, daß sein Handeln oder Nichthandeln über das Wohlergehen oder Leiden von Millionen und Milliarden Menschen in Gegenwart und Zukunft entscheidet. Er weiß sogar, daß eine Lösung existiert und daß er der einzige Mensch auf der Welt ist, der diese Lösung durchsetzen kann. Aber er ist umgeben von Intrigen. Er hat einflußreiche Gegner, die ihn vernichten wollen. Und er selbst hat von der neuen politischen Ordnung, der Lösung nur eine vage Vorstellung; auch sind seine eigenen Motive zwiespältig.

Er weiß, was zu tun wäre, aber er zögert: Er wartet ab, er schwankt, schiebt auf, sucht Zeit zu gewinnen. Er wird zum Hemmnis der Geschichte. Schließlich überschlagen sich die Ereignisse und die Entscheidungsfreiheit ist ihm aus der Hand genommen. Als er endlich handelt, ist es zu spät.

Ich habe mich gefragt, welche Tragödie dieses Problem am besten behandelt. Ich stieß schließlich auf Friedrich Schillers Wallenstein-Trilogie. Mit meinen folgenden Ausführungen möchte ich alle Zuhörer anregen, das Werk selbst zu lesen und daraus zu lernen.

Die Wallenstein-Trilogie

Alle großen historischen Tragödien beschäftigen sich mit der großen Antinomie des politischen Lebens: dem Konflikt zwischen Macht und Gerechtigkeit, zwischen dem politischem Handeln und dem Gewissen. „…Und um der Menschheit große Gegenstände, um Herrschaft und um Freiheit wird gerungen“, heißt es im Prolog von Wallenstein.

Im Mittelpunkt des Stückes steht Wallenstein, der kaiserliche Generalissimus im 30jährigen Krieg, und es behandelt eine Staatsaffäre von enormer Tragweite und Komplexität, die Schiller kunstvoll in allen Facetten und Nuancen vorstellt. Daher bestehen große Ähnlichkeiten zur Gegenwart, die ebenfalls keine Simplifizierungen zuläßt.

Historischer Rahmen der Tragödie ist der 30jährige Krieg. Den zentralen Punkt des Dramas bildet Wallensteins Verrat an Kaiser Ferdinand II. in Wien, sein Bruch mit dem Hof. Das Motiv für diesen Verrat ist, daß Wallenstein den langen Krieg beenden will; er möchte sich der böhmischen Königskrone bemächtigen, damit er die Lage in Europa kontrollieren kann, was er als Voraussetzung dafür ansieht, Frieden zu schaffen. Dies bringt ihn in Konflikt mit dem Kaiser in Wien, der in einer früheren Notlage gezwungen war, Wallenstein die uneingeschränkte Führung des Heeres zu überlassen, nun aber die Armee zurückziehen und Wallensteins Macht abbauen möchte.

Die Trilogie ist als eine kunstvolle poetische Einheit komponiert. Schon im ersten Stück, Wallensteins Lager, das die rauhe und wilde, nur von dem geliebten und respektierten Feldherrn Wallenstein zusammengehaltene Welt der Soldatenÿschildert, ist der entscheidende Konflikt unter den Offizieren im Kern angelegt. Der zweite Teil Die Piccolomini schildert diesen Konflikt zwischen Wallenstein und seinen Anhängern auf der einen Seite und seinen Gegnern, die den Wiener Hof repräsentieren, auf der anderen. Der letzte Teil Wallensteins Tod zeigt, wie Wallenstein wegen seines Zögerns und Abwartens von den Ereignissen überrollt und vernichtet wird.

Wallensteins Lager ist ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Situation während des 30jährigen Krieges. Hier tauchen schon im kleinen Maßstab die politischen Konflikte auf, die dann als Zusammenstoß gegensätzlicher Wertvorstellungen unter den Offizieren und schließlich in General Wallensteins gespaltenem Gewissen selbst wiederkehren. Auf den ersten Blick scheint das Lager eine einheitliche Kraft: ein Staat im Staate, der jenseits von Religion und ethnischen Spannungen zusammenhält. Doch dieser Eindruck trügt, denn die Soldaten lieben zwar ihren General und sind bereit, für ihn zu sterben, haben aber ihren Eid auf den Kaiser geschworen.

Der unterschwellige Konflikt wird sichtbar, als im Lager das Gerücht umgeht, die Armee solle Böhmen räumen und geteilt werden: Acht Regimenter müßten sich dem spanischen Heer unter dem Befehl des Kardinal-Infanten anschließen, der es von Mailand nach den Spanischen Niederlanden führen will. Die Nachricht sorgt für Unruhe, die Situation im Lager bricht auf. Schiller nennt dies den „prägnanten Moment“, in dem der Keim der sich dann entfaltenden Tragödie angelegt ist. Plötzlich wird deutlich, daß die Armee des Kaisers gleichzeitig auch eine riesige Macht in Wallensteins Händen gegen den Kaiser darstellt. Der Konflikt wird sichtbar, der dann in dem Moment, als sich Wallenstein zum Abfall vom Kaiser entschließt, vollends ausbricht.

Wallenstein steht tatsächlich vor keiner einfachen Aufgabe. Der einzige Weg zu Frieden und Einheit ist, die kaiserliche Armee gegen die Interessen der Habsburger einzusetzen. Der eine Teil des Heeres, für den die Person des Wachtmeister steht, kann seine Freiheit nur im Kampf gegen die Habsburger erhalten; für den anderen Teil ist dies Gesetzlosigkeit. Das Regiment von Max Piccolomini wiederum, Wallensteins treueste Anhänger, verurteilt den Kaiser wegen seiner Politik der Unterdrückung in den Niederlanden und in Spanien und verehrt Wallenstein als General, respektiert den Kaiser aber als Repräsentanten und Oberhaupt des Staates, dem der General untergeben ist.

Dieses Regiment, die Pappenheimer, möchte bei Wallenstein bleiben, aber dafür keinen Aufstand begehen. Sie möchten, daß Max Piccolomini Wallensteins gerechte Sache gegenüber dem Kaiser vertritt, was sich aber – wie der Monolog des Kapuzinermönchs verdeutlicht – als Wunschdenken herausstellt, denn die katholische Politik der Habsburger und die überkonfessionelle Politik Wallensteins sind unvereinbar. Der Mönch nimmt schon die Argumente vorweg, die im zweiten Teil der vom Kaiser gesendete Kriegsrat Questenberg gegenüber den Piccolomini äußern wird. Dieser Questenberg hat dann bereits den geheimen Befehl des Kaisers in der Tasche, Wallenstein abzusetzen, das Kommando auf Max‘ Vater Octavio Piccolomini zu übertragen und Wallenstein mit dem Bann zu belegen, nachdem er in Geheimverhandlungen mit den feindlichen Schweden eingetreten war, aber noch zögerte, sich offen mit ihnen zu verbünden.

Schiller macht verschiedentlich klar, daß Wallenstein das Wohlergehen des Volkes am Herzen liegt. Er ist zwar von Ehrgeiz nach Macht und Ruhm getrieben, dies macht aber seine politischen Ideen nicht weniger konstruktiv. In einem Gespräch mit Graf Terzky stellt Wallenstein klar, daß er nicht vorhat, den Schweden einen Teil Deutschlands zu überlassen.

Warum handelt Wallenstein nicht entsprechend? Warum zögert er? Unter den gegebenen Umständen kann Wallenstein seine positive politische Idee, Europa den Frieden zu bringen, nur durchsetzen, wenn er entschlossen handelt: gegen den Kaiser, gegen die Schweden, gegen seine Generale und gewisserweise auch gegen sein eigenes Heer. Dies wäre nur möglich, wenn er ein entsprechendes Momentum für seine Absichten schafft. Er scheitert, nicht weil er den Kaiser hintergeht, sondern weil er sich zum Abfall zu spät entschließt. Er kann sich nicht entscheiden und schwankt hin und her zwischen der Autorität des Kaisers, der Idee der Reichseinheit und dem eigenen Ehrgeiz, und deshalb scheitert er. Als der geheime Unterhändler mit den Schweden, Sesin, in Gefangenschaft gerät, steht Wallenstein gezwungenermaßen vor der Wahl, alle seine Pläne fallen zu lassen oder den Bruch mit dem Kaiser offen zu vollziehen. Aber er zögert noch immer. Das Mißtrauen des Wiener Hofes und sein Plan, der bislang nur als Idee in seinem Kopf existierte, zwingen ihn eigentlich zum Handeln, aber er will sich noch immer die Wahl offenhalten.

Die Folgen sind katastrophal. Max Piccolominis Regiment, das nahezu gewonnen war, für Wallensteins Ziele zu kämpfen, wird Opfer einer Intrige Buttlers im Auftrag Wiens und wendet sich von Wallenstein ab. Buttler sagt ihnen, Terzkys Regiment habe den kaiserlichen Adler von der Flagge heruntergerissen und durch Wallensteins Zeichen ersetzt; das geht ihnen zu weit. Im Rahmen eines scheinbaren Bündnisses mit dem Reich hätten sie für Wallenstein gekämpft, nicht aber direkt gegen den Kaiser, dem sie als Staatsoberhaupt den Eid geschworen haben – und erst recht nicht, wenn sie auf diese Weise davon erfahren.

Wallensteins Zögern läßt auch Octavio, der die meisten Generale auf seine Seite zieht, größeren Spielraum für seine Intrigen. So verliert Wallenstein die Kontrolle über den Generalstab und die Armee; selbst sein persönliches Auftreten hat keine Wirkung mehr auf die, die ihn noch kurz zuvor liebten, verehrten und alles für ihn getan hätten.

Die Abfolge der politischen Motive und Ereignisse sorgt für die tragische Entwicklung der Staatsaffäre. Eine weitere Dimension gibt Schiller dem Drama mit der Person des Max Piccolomini. Dieser zählt zwar zu Wallensteins getreuesten Anhängern, kann aber den Verrat am Kaiser nicht billigen. Er ist von der Richtigkeit seines Handelns überzeugt, allein seinem Gewissen und seinem Herz zu folgen, muß jedoch am Ende erkennen, daß auch das nicht ausreicht. Schiller selbst bezeichnet die Liebe zwischen Max und Thekla als den poetisch bedeutendsten Teil des Stückes, und ganz offensichtlich gilt ihnen, dem Mut und der Reinheit ihrer Herzen, seine Sympathie, denn sie repräsentieren die hohen Ideale. Sie sind das, was Schiller als „die Kinder des Hauses“ und „schöne Seelen“ bezeichnet.

Als für Max der Konflikt zwischen Loyalität zum geliebten General, dem kaiserlichen Treueid und dem leiblichen Vater unlösbar wird, bleibt ihm nur noch ein heldenhafter Tod. Die Liebe zwischen Max und Thekla hat in der Tragik der Ereignisse keine Chance. Aber gerade das macht sie unsterblich. Schiller drückt diese Idee in dem Gedicht Shakespeares Schatten aus: daß das Schicksal den Menschen erhebt, wenn es ihn zermalmt.

Die Trilogie kondensiert in einer Handlung von vier Tagen, mit Hilfe von Rückblicken und Zukunftsplänen der unterschiedlichen Charaktere, die gesamte Geschichte des Wallenstein und des 30jährigen Krieges. Die Gefangennahme des geheimen Unterhändlers Sesin wird zum punctum saliens: Ab hier beendet der Sog der Ereignisse die Freiheit des Handelns; die Hauptperson kann jetzt nicht mehr untätig abwarten, sondern muß handeln. Aber es ist eben nicht Wallenstein selbst, der diese Wahl trifft. In Sesins Gefangennahme liegt konzentriert das ganze Ausmaß der historischen und politischen Situation; alles nachfolgende ist eine Folge dieses fatalen Ereignisses. Wallenstein war unfähig, das Gesetz des Handelns in die eigenen Hände zu nehmen. Das schwächt ihn natürlich auch gegenüber dem Schweden Wrangel, der weiß, daß Wallenstein keine andere Wahl hat, als den Schweden gewisse Rechte zuzugestehen, wenn er nicht gegenüber dem Kaiser kapitulieren will.

In seinem großen Monolog kurz vor dem Zusammentreffen mit Wrangel (1. Aufzug, 4. Auftritt) sagt Wallenstein:

Wär’s möglich? Könnt‘ ich nicht mehr, wie ich wollte? Nicht mehr zurück, wie mir’s beliebt? Ich müßte die Tat vollbringen, weil ich sie gedacht, Nicht die Versuchung von mir wies – das Herz Genährt mit diesem Traum, auf ungewisse Erfüllung hin die Mittel mir gespart, Die Wege bloß mir offen hab gehalten? – Beim großen Gott des Himmels! Es war nicht Mein Ernst, beschloßne Sache war es nie. In dem Gedanken bloß gefiel ich mir…

Wallenstein muß handeln, obwohl er es noch nicht möchte. Er enthüllt, was ihn davon abhielt, entschlossen zu handeln, als er noch die Möglichkeit dazu hatte:

Ein unsichtbarer Feind ist’s, den ich fürchte, Der in der Menschen Brust mir widersteht, Durch feige Furcht allein mir fürchterlich – Nicht, was lebendig kraftvoll sich verkündigt, Ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist’s, das ewig Gestrige, Was immer war und immer wiederkehrt Und morgen gilt, weil’s heute hat gegolten Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht, Und die Gewohnheit nennt er seine Amme. Weh dem, der an den würdig alten Hausrat Ihm rührt, das teure Erbstück seiner Ahnen!

Das Jahr übt eine heiligende Kraft; Was grau für Alter ist, das ist ihm göttlich. Sei im Besitze, und du wohnst im Recht, Und heilig wird’s die Menge dir bewahren.

Was Wallenstein mit diesen Worten zum Ausdruck bringt, ist seine Furcht vor der Haltung seiner Generale und Soldaten, die noch dem alten Reich der Habsburger anhängen, der alten Ordnung, auch wenn diese nur Zerstörung und Krieg hervorgebracht hat. Ihr Glaube an die Axiome der alten Ordnung hat ihn zurückgehalten. Es ist die Angst des Hamlet vor dem Unbekannten: die Angst, alleine dazustehen, und daß das Jahrhundert für seine Visionen noch nicht reif ist.

Ebendiese Angst ist auch die Ursache, warum die Politiker heute ihre Handlungen nach Meinungsumfragen ausrichten. Aber die Kausalität der Geschichte ist unerbittlich. Schiller nennt diese Macht der Geschichte nemesis: „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht.“

Am Ende, bevor Wallenstein stirbt, läßt Schiller den Zuschauer an der Ironie zwischen der wahren Lage Wallensteins und seinen Selbsttäuschungen teilhaben. Jetzt sind alle die warnenden Zeichen sichtbar, auf die Wallenstein gewartet hatte: der Traum der Gräfin Terzky und die furchtbaren Warnungen des Astrologen Seni. Doch Wallenstein weist sie zurück und behauptet plötzlich, alles habe natürliche Ursachen. Er beweist enorme Blindheit vor der herannahenden Katastrophe.

„Die Wirtschaft ist solide“, hört man heute immer wieder, oder: „Die Krise in Asien war nur ein kleiner Ausrutscher.“ Wo immer man diese Meinung hört, sollte uns die Tragik kalt den Rücken herunterlaufen, denn die nemesis ist nicht fern.

Die Tragödie der Gegenwart

Die Tragödie, die sich gegenwärtig abspielt, findet nicht auf der Bühne statt: Es geht um unser Leben, um unsere Zivilisation. Es stellt sich die Frage: Wer ist der tragische Held der Gegenwart? Ist es Präsident Clinton, der Mann, der das mächtigste Amt der Welt innehat und der allein sich in der Position befindet, die notwendigen Reformen durchzusetzen, gleichzeitig aber ebenso einflußreiche Gegner hat wie Wallenstein, von Intrigen umgeben ist und zumindest bisher ähnlich zögert und Entscheidungen hinausschiebt? Wird er rechtzeitig mit jenen „Göttern des Olymp“ brechen, die bereit sind, Millionen Menschen zu opfern, um die Banken zu retten?

Vielleicht ist es auch ein ganz anderer, dem heute das Schicksal eines tragischen Helden bevorstehen könnte.

Stellen Sie sich einen Menschen vor, der mit seiner Vision eine Wahrheit repräsentiert, von der die ganze Menschheit und viele zukünftige Jahrhunderte profitierten. Einen Mann mit dem einzigartigen Geist eines Genies und der Fähigkeit zur leidenschaftlichen Liebe für die Menschheit. Malen Sie sich die gigantische Wirkung aus, die die Verwirklichung seiner Ideen hätte: die Kinder, Erwachsenen und alten Menschen überall auf der Welt, die glücklich sein werden, wenn er Erfolg hat. Ein Mann, der in seiner Seele die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vereint. Sollte ein solcher Mensch daran gehindert werden, sein Wissen für die Zukunft der Menschheit einzusetzen?

Lyndon LaRouche sagte im Jahr 1958 zum ersten Mal voraus, daß dieses Finanzsystem an sein Ende kommen werde. Der Hintergrund dieser zutreffenden Prognose waren seine bahnbrechenden Erkenntnisse auf dem Gebiet der physikalischen Ökonomie: Er erkannte, daß die Gesetze des Universums nicht linear sind und daß sich deshalb Dinge wie „Systemanalyse“ und „Informationstheorie“ nicht auf Wirtschaftsprozesse anwenden lassen. Schon damals sagte er voraus, daß ab einem gewissen Punkt die Alternative nur noch eine gerechte neue Weltwirtschaftsordnung oder Faschismus wäre.

Er war es auch, der in den 60er Jahren als einziger wirklich wirksam die Gefahr der damals anlaufenden „Gegenkultur“ erkannte und mit dem Aufbau einer Bewegung begann, die sich an den Axiomen der klassischen Kultur orientierte. Er entwarf einen Plan für eine neue Weltwirtschaftsordnung. Er erarbeitete Programme für die Entwicklung Afrikas, Lateinamerikas und den Aufbau einer Eurasischen Landbrücke. Seine Vision einer gerechten Weltordnung ist noch schöner als jene, die Alexander Hamilton in den Federalist Papers beschreibt. Er forderte alle Menschen heraus, eine politische Ordnung zu schaffen, die auf Gerechtigkeit basiert, und das nicht nur für ein Land, sondern für die ganze Welt.

Die Oligarchie erkannte schon in den 60er Jahren, als LaRouche noch ganz alleine dastand, daß hier ein neuer Prometheus existierte, der der Menschheit „Feuer“, Wissen gab. Sie wollten ihn durch Intrigen und Verleumdungen an den Felsen ketten. Sein Ruf wurde in den Schmutz getreten. Man sperrte ihn auch physisch ein. Denn auch er verlangte von den Göttern des Olymp, daß sie sich veränderten. Ja, er bot ihnen sogar an, ihr System zu retten, wenn sie sich änderten, doch sie lehnten ab; das war 1982. Und heute steht die Weltordnung der Götter des Olymp vor dem Ende.

Wenn wir die Situation umkehren wollen, müssen wir das über die Vereinigten Staaten tun; sonst hat die Zivilisation keine Chance. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Und wer uns dabei nicht unterstützt, ist nicht wirklich ernsthaft an einer Lösung für seine Nation interessiert. Wer das Schicksal der Menschheit nicht aus dieser universellen Perspektive betrachtet, und wer sagt: „Damit will ich lieber nichts zu tun haben“, „Das lasse ich gar nicht an mich herankommen“, der ist nicht ernsthaft. Er ist apolitisch und trägt deshalb zur Zerstörung der Gesellschaft bei.

Ich behaupte: Sie selbst sind es, die Gefahr laufen, die tragischen Helden der Gegenwart zu werden. Es liegt an Ihnen, die notwendige Entschlossenheit zu zeigen, zu beweisen, daß Ihre Generation nicht tragisch ist. Vielleicht erkennen ja genügend Menschen, daß das jetzige System zum Untergang verurteilt ist und daß wir die Denkaxiome der vergangenen 30 Jahre, die uns in diese Krise hineingeführt haben, zurückweisen müssen. Wenn genügend Menschen erkennen, daß wir selbst gegenwärtig in der Welt eine klassische Tragödie durchleben – dann können wir den Weg zum Überleben unserer Nationen finden, wenn wir die Antworten auf die großen Fragen der Menschheit verstehen, die uns die großen Tragödien von Aischylos, Shakespeare und Schiller geben.