„Vom Theater muß man beseelt sein“

Mit dem Schauspieler Peter Sodann sprach Renate Müller De Paoli am 25. Februar 2003 in Halle


Herr Sodann, wir hatten das Vergnügen, Sie im September letzten Jahres in Bad Lauchstädt anläßlich einer Aufführung der Maria Stuart kennenzulernen. Sie führten Regie. Damit wurde der 200. Geburtstag des Goethe-Theaters in Bad Lauchstädt gefeiert, das Goethe zwischen März und Juni 1802 – eine unglaublich kurze Zeit – erbauen ließ. Was ist das Besondere am Goethe-Theater?

Goethe hat dieses Theater nach seinen Plänen und seinen Gedanken gebaut. Ich empfinde immer eine gewisse Weihe, wenn ich dieses Haus betrete. Ich weiß, daß er ein großer Dichter und Denker war, und wenn ich durch Reichardts Garten gehe, der hier ganz in der Nähe ist, dann setze ich mich dort manchmal auf die Goethe-Bank, damit dessen Geist in mich einfließe. Aber dieses mit aller Raffinesse erbaute Haus ist wirklich sehr erlebenswert. Wenn ich in diesem Haus bin, muß ich in etwa so inszenieren, wie vielleicht Herr Goethe inszeniert hätte. Die alte Technik und alles, was dort ist, bringt einen auf großartige Ideen. Mir gefällt es einfach außerdem herrscht dort noch ein bißchen Ruhe.

Was ist das Besondere an der Technik des Theaters?

Sie können wunderschöne Verwandlungen machen.

Durch Sofitten und Gassenwände, die sich automatisch bewegen, geht ein Bild in das andere über. Das ist heute nicht mehr üblich. Wenn man sich aber in die damalige Zeit zurückversetzt und sich den Gebräuchen jener Zeit ein bißchen unterwirft, dann kann man dort sehr gute Inszenierungen machen.

Es war zu Goethes und Schillers Zeiten immer gut besucht…

So heißt es. Die Bad Lauchstädter selbst gehen wohl am seltensten ins Theater, aber da es dieses Goethe-Theater ist, kommen jetzt viele Reisegruppen, vor allem auch aus der alten Bundesrepublik. Darüber freue ich mich ganz besonders. Aus aller Herren Länder kommen sie, besichtigen das Theater und besuchen die Vorstellungen. Die Besucher sind meistens sehr begeistert, weil sie ein Theater vorfinden, an das sie sich vielleicht aus ihrer Jugend erinnern, das nicht so abstrahiert ist und wo der Regisseur nicht nur die eigenen Gedanken hineinbringt, sondern dem Werk folgt, was ich als Regisseur auch immer versuche.

Welche Stücke von Schiller und Goethe wurden dort aufgeführt?

Damals alle. Ich selbst habe dort Egmont inszeniert. Egmont war sehr gut besucht, der läuft jetzt schon das vierte Jahr, letztes Jahr Maria Stuart. Was dann kommt, das weiß ich noch nicht. Die Maria läuft jetzt erst einmal zwei oder drei Jahre.

Warum haben Sie zum 200. Jahrestag des Theaters gerade die Maria Stuart gewählt?

Die Bad Lauchstädter sagen uns, was sie gerne hätten. Da suchen wir uns etwas heraus. Die Stuart hatte mich interessiert. Maria Stuart ist der Kampf zweier Frauen, zweier Regierender.

Wie sehen Sie das entscheidende Zusammentreffen der beiden Königinnen Maria und Elisabeth? Sie haben es sehr zugespitzt dargestellt. Am Schluß der Szene liegt Elisabeth sogar am Boden.

Wenn man etwas älter wird, sieht man die Fürsten, die Könige, die Regierenden, die wir jetzt haben, nicht mehr als außergewöhnliche Menschen an, sondern erkennt, daß wir im Durchschnitt vom Mittelmaß regiert werden. Da muß man an der Fassade ein bißchen kratzen und sehen, was hinter der Außergewöhnlichkeit zum Vorschein kommt. Es ist meistens Mittelmaß. Vor kurzem lief der Napoleon-Film, der so unglaublich viel Geld gekostet hat. Ein einziger Schlunz: ein bißchen Schlachtengetümmel, ein dummer Napoleon – so dumm kann der gar nicht gewesen sein. Ich sehe die Welt ein wenig anders. Wenn jemand Kriege führt, um andere Völker zu unterjochen und zu zerstören, der kann meine Achtung nicht gewinnen, in keiner Weise. Insofern kann das Fernsehen leider eine Verblödungsmaschine von enormer Wirkung sein.