Frühgeschichtliche Funde, die über 100.000 Jahre alt sind, belegen die Existenz menschlicher Wesen, die fähig waren, die Art von physikalischen Entdeckungen zu machen, die die Menschheit von der Tierwelt unterscheiden und sie absolut über die Tiere erheben. Jede kompetente Erforschung der Natur der menschlichen Gattung und deren spezifischen Verhaltens beruht darauf, entscheidende Beweise dafür beizubringen, daß allein unsere Gattung auf besondere Art befähigt ist, physikalische Prinzipien zu entdecken oder deren Entdeckung nachzuvollziehen. Diese Art von Grundlagenwissen hat keinerlei Entsprechung auf der relativ niedrigen Ebene geistiger Aktivität wie der Deduktion, oder des „Lernens durch wiederholbare Erfahrung“, das den Tieren eigen ist.
Auf diesem Gebiet zeigen Archäologie und Geschichte, daß das Bestehen der Menschheit als Ganzer als sich entwickelnder funktioneller Teil unserer wachsenden Biosphäre durch einen ständigen Fortschritt im zunehmenden Einfluß des Menschen auf die Natur gekennzeichnet ist; ein Maß, das sich unseren Sinnen in Form des Anstiegs der demographischen Werte, pro Kopf und pro Quadratkilometer Erdoberfläche, offenbart. Nur die Menschheit ist in der Lage, ihre Beziehung zur Biosphäre und zum Universum als Ganzem willentlich zu verändern.
Diese Fakten beinhalten jedoch ein wichtiges, ja entscheidendes Paradox. Mißt man den langfristigen Fortschritt der menschlichen Gattung als Ganzer über einen langen Zeitraum von mehreren hundert Generationen, so zeigt sich der Fortschritt als entscheidender, charakteristischer, implizit unvermeidlicher Wesenszug unserer Gattung als Gattung. Das heißt allerdings keineswegs, daß jeder in einem kürzeren Zeitraum von wenigen Generationen erzielte Fortschritt der globalen, oder einer regionalen Kultur mit Sicherheit seinen angemessenen Nachfolger finden wird. Wissenschaftlicher und technologischer Fortschritt als solche sind für den Fortbestand unserer gesamten Gattung unabdingbar. Doch wann und ob weiterer Fortschritt oder gar ein Rückschritt eintritt, ergibt sich niemals automatisch; was passiert, ist vielmehr das Ergebnis dessen, was wir als „kulturelle Faktoren“ bezeichnen, wie auch Resultat von Impulsen, die aus dem Fortschritt in der Erkenntnis höherer physikalischer Prinzipien herrühren.
Aus Gründen, die wir in diesem Aufsatz näher untersuchen, sind es „kulturelle Faktoren“, die sogar den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt als solchen bestimmen, und die auch darüber entscheiden, wie einmal gemachte Entdeckungen physikalischer Prinzipien so befördert und praktisch umgesetzt werden, daß sie sowohl zur Erhöhung des menschlichen Einflusses auf die Natur führen, als auch zur praktischen Umsetzung dieses gestiegenen Einflusses, eine Entwicklung, die sich anhand des Anstiegs der demographischen Charakteristika einzelner Kulturen ablesen läßt.
Der derzeitige globale Finanz- und Währungskollaps hat die einst so stolze Zivilisation des Wiederaufbaus der Zeit von 1946 bis 1973 an den Rand eines weltweiten „neuen finsteren Zeitalters“ gebracht. Wieder einmal sehen wir uns mit der Tatsache konfrontiert, daß selbst die stärksten Technologie-Kulturen durch denjenigen moralischen und kulturellen „Paradigmen-Wechsel“ untergehen können, der seit Ausbruch der Gegenkultur-Revolte, einer Jugendkultur, die sich in den Jahren 1964 bis 1972 gegen den technischen Fortschritt und die Vernunft im allgemeinen richtete, zunehmend die Entwicklung auf der ganzen Welt dominiert hat.
Deshalb hängt eine kompetente nationale und globale Politik davon ab, daß wir die kulturellen Prinzipien erkennen und anwenden, auf die wir uns stützen müssen, wenn wir den sonst unvermeidbar scheinenden demographischen (und pro-Kopf-) Kollaps abwenden wollen, der weltweit die menschliche Zivilisation akut bedroht. Der Autor ist der Überzeugung, daß Natur und Bedeutung derartiger kultureller Fragen durch das Studium der Grundlagen klassischer Kunstformen und klassischer Erziehung deutlich werden, die die größten Köpfe in Naturwissenschaft, Kunst und Staatsführung im Europa des frühen 19. Jahrhunderts auszeichneten; dazu gehörten beispielsweise Friedrich Schiller und seine Freunde, die Gebrüder von Humboldt in Deutschland oder Benjamin Franklins Urenkel Alexander Dallas Bache in den USA, der mit Humboldt in Verbindung stand.
Vergleicht man vor diesem Hintergrund unsere heutige Kultur mit dem überlegenen Niveau der europäischen klassischen Kultur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, so erscheinen selbst die führenden Schichten derjenigen Teile der heutigen Bevölkerung, die in den vergangenen Generationen umfassend von der europäischen Kultur geprägt waren, ignorant, unerträglich rückständig, ja sogar relativ verwildert. Der moralische und kulturelle Verfall der Nachkriegsgenerationen äußert sich in geradezu mörderischen Ausbrüchen von Existentialismus unter Jugendlichen. Dieser beklagenswerte Trend zeigt sich gleichermaßen bei der Mehrheit höherer und einfacherer Schichten der heutigen Gesellschaft.
Die Herausforderung, den gegenwärtigen kulturellen und wirtschaftlichen Verfall der globalen Zivilisation umzukehren, bildet den Kontext für diesen Aufsatz. Wie die Schwierigkeiten, die dem Verständnis dieser heute so wichtigen Fragen im Wege stehen, behoben werden können, habe ich auf folgende Weise entdeckt und im weiteren Verlauf entwickelt.
1. Drei entscheidende Entdeckungen
In der Zeit zwischen 1948 und 1952 gelangen mir erstmals drei grundsätzliche, verwandte Entdeckungen eines physikalischen Prinzips. Die damals erkannten, miteinander zusammenhängenden Prinzipien haben seither mein Leben und meine beruflichen und sonstigen Leistungen bestimmt; sie sind auch Kernstück der Kontroversen, in deren Zentrum ich mich in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr wiederfand.
Das erste dieser Prinzipien geht auf meine Arbeiten in der Zeit von 1948 bis 1951 zurück: es betrifft den Anstieg des menschlichen Einflusses auf die Natur, pro Kopf und Quadratkilometer, der sich grob wie folgt beschreiben läßt.
Man muß feststellen, daß sich der geordnete Anstieg des menschlichen Einflusses auf die Natur pro Kopf und pro Quadratkilometer Erdoberfläche immer anhand der Resultate aufeinanderfolgender, revolutionärer realisierter Entdeckungen physikalischer Prinzipien zeigt. In physischer Hinsicht zeigt sich, daß experimentell haltbare revolutionäre Entdeckungen physikalischer Prinzipien geordnete, wenn nicht gar lineare oder sonstwie einfache Folgen bilden. Die Umsetzung dieser Folgen – deren Häufung –, geht mit einem Anstieg des potentiellen (physikalischen) Einflusses des Menschen über die Natur einher. Wie schon von 1948 bis 1952, so lautet auch heute das Argument, daß diese Verbindung dadurch gekennzeichnet ist, daß ein experimentell gesichertes physikalisches Prinzip als allgemeine Quelle zur Anwendung im Maschinenbau und entsprechenden Entwicklungen dient, die man als „Technologien“ bezeichnet.
Das zweite der drei Prinzipien, dessen Entdeckung ebenfalls in die Zeit von 1948 bis 1951 fällt, war das Verständnis der Tatsache, daß dieselben schöpferischen Geistesprozesse, die experimentell gesicherte, grundsätzlich neue (d. h. „revolutionäre“) Entdeckungen physikalischer Prinzipien als Antwort auf diejenigen Paradoxa in der Experimentalphysik erzeugen, die sich nicht per Ableitung lösen lassen, genau die gleichen Prozesse sind, die zur Lösung von Paradoxa, die man als Metaphern bezeichnet, erforderlich sind. Solche Metaphern sind streng klassischen Formen der Komposition in Musik, Poesie, Drama und bildender Kunst eigen. Dieses zweite Prinzip, das der heute allgemein anerkannten Ansicht einer Trennung von Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft klar widerspricht, ist der entscheidende Bezug für den vorliegenden Bericht.
Das dritte Prinzip aus dem Jahr 1952 war meine Erkenntnis, welche eigentliche Bedeutung in dem allgemeinen Begriff einer Keplerschen vernetzten Mannigfaltigkeit steckte, einem Begriff, der erstmals als Zusatz zu den Arbeiten von Carl Gauß in Bernhard Riemanns revolutionärer Habilitationsschrift von 1854 definiert wurde. Bei einem erneuten Studium von Riemanns Habilitationsschrift erkannte ich damals, daß seine Entdeckung die unabdingbare meta-mathematische Grundlage zum Verständnis und zur Integration der Funktion gültiger schöpferischer Prinzipien-Entdeckungen bildet, und zwar nicht nur in der Physik, sondern auch in der klassischen Kunst. Darüber hinaus war mein Verständnis von Riemanns Entdeckung insoweit neuartig, als es mit einem explizit platonischen Begriff der relevanten ontologischen Prinzipien einhergeht. Ich vertrat die Ansicht, daß ein Vergleich von Riemanns Schriften aus der entsprechenden Zeit diese metaphysische Verbindung zur Ontologie der platonischen Ideen deutlich macht; in meiner eigenen Darstellung, die hier im Fall der Musik noch einmal wiederholt wird, kommt das explizit zum Ausdruck.
Bleibt man den Prinzipien einer klassisch-humanistischen Erziehung treu, so muß man dem Ursprung und den weiteren heutigen Implikationen dieser drei zusammenhängenden Entdeckungen Rechnung tragen. Man muß berücksichtigen, daß ich mich in meiner Jugend ausführlich mit der modernen Philosophie beschäftigt hatte. Alle diese Entdeckungen aus der Zeit von 1948 bis 1952 wurzelten darin, daß ich mir damals die Weltsicht Gottfried Wilhelm Leibniz‘ zu eigen gemacht hatte. Als ich heranwuchs, kam zu der Annahme von Leibniz‘ Standpunkt eine besondere, ausdrückliche Opposition gegen die Erziehungs-Dogmen von John Dewey und die bis heute andauernde Ablehnung der britischen und französischen Reduktionisten des 17. und 18. Jahrhunderts. Später brachten mich meine Studien in Opposition zu dem paradigmatischen, neo-aristotelischen Angriff auf Leibniz, der im Zentrum von Immanuel Kants berühmten Kritiken steht.
In Bezug auf die besagten Prinzipien der klassisch-humanistischen Erziehung muß man betonen, daß es keinesfalls Zufall war, daß die Entdeckungen aus der Zeit von 1948 bis 1952 vor allem darauf zurückzuführen waren, daß ich seinerzeit fest entschlossen war, den wichtigen neo-kantianischen Schwindel zu entlarven, der gewissen radikal-positivistischen Neuerungen zugrundelag, den zwei prominente Anhänger Bertrand Russells eingeführt hatten. Das waren vor allem die radikal-reduktionistische „Informationstheorie“ (zum Beispiel die radikal-positivistische „Linguistik“) von Professor Norbert Wiener, und die damit eng verwandte „Systemanalyse“ Professor John von Neumanns.
Auch die Taktik, die ich in der Zeit von 1948 bis 1952 zur Entwicklung meiner Ablehnung von zunächst Wiener und später von Neumanns anwandte, entsprach einer Überzeugung, zu der ich in den Kriegsjahren gekommen war; daß nämlich die Probleme einer Erkenntnistheorie, die Kants Kritiken aufwerfen, vom Standpunkt einer allgemeinen Wissenschaft physischer (im Gegensatz zu monetär-finanzieller) Wirtschaft attackiert werden müssen – d. h. vom Standpunkt des vom Menschen selbst aufrechterhaltenen Anstiegs des Einflusses seiner Gattung auf die Natur. Es muß eine Wissenschaft sein, deren Hauptaugenmerk darauf gerichtet ist, diejenigen Prinzipien zur Anwendung zu bringen, die das bestehende, einzigartige Potential der Menschheit zur willentlichen Steigerung der potentiellen relativen Bevölkerungsdichte unserer Gattung bestimmen. Diese Ordnung muß mit dem Einfluß und der Wechselwirkung der Erzeugung wissenschaftlichen, technologischen und kulturellen Fortschritts einhergehen.
Will man sich im Zusammenhang mit diesen klassisch-humanistischen Prinzipien Rechenschaft über sein eigenes Wissen ablegen, so geht das nur, wenn man das für die heutige Weltkultur und -politik immer noch zentrale praktische Problem berücksichtigt, das ich hier genauer untersuchen will, die Tatsache nämlich, daß in der modernen europäisch geprägten Weltkultur zunehmend eine gegen die Ideen der Renaissance gerichtete, reduktionistische und ausgesprochen venezianische Weltsicht das politische Übergewicht bekommt. Diese verdrehte Weltsicht ist vornehmlich das Erbe Pietro Pomponazzis, Paolo Sarpis, Antonio Contis und anderer. Dieser venezianische Einfluß hat als Erbe einen besonderen pathologischen Zug hinterlassen, einen Trend, der stark auf die anerkannten Lehrmeinungen und Praktiken der modernen europäischen Kultur einwirkte. Dieser und ähnliche Trends in der herrschenden Meinung – seien es nun aristotelische, „neo-aristotelische“, „empirische“, „cartesische“, „materialistische“ oder „positivistische“ – haben ihrem gemeinsamen pathologischen Dogma zur Vorherrschaft verholfen, einem Dogma, das implizit bei der Idee der Erkenntnis eine strenge Teilung verlangt zwischen den sogenannten „schönen Künsten“ und dem Begriff rationalen Verhaltens, das man mit der Physik verbindet. Dieser Konflikt läßt sich sinnvollerweise mit dem vergleichen, was der britische Autor C. P. Snow auf simplistischere Weise als die Trennung der „zwei Kulturen“ des modernen europäischen empiristischen Dogmas bezeichnete.
Allen gegenwärtigen hegemonialen reduktionistischen philosophischen Einflüssen zum Trotz: Seit dem Einfluß der klassischen griechischen Kultur – das gilt besonders für das Erbe Platons und seiner Akademie –, hatten die besten Strömungen der europäischen Zivilisation eine relativ klare, wenn auch nicht einfache Konzeption über die Ordnung, die dem menschlichen sozialen Fortschritt zugrundeliegt, und zwar sowohl in Hinsicht auf die physikalische Praxis als auch hinsichtlich der demographischen Charakteristika von Kulturen auf einem entsprechenden technologischen Niveau. Diese Ordnung ist meßbar an den Begriff der relativen potentiellen Bevölkerungsdichte gekoppelt. Verbindet man die Verbesserung der demographischen und entsprechenden individuellen Charakteristika von Bevölkerungen mit der entsprechenden Rolle des angewandten wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts bei der Beförderung des Einflusses auf die Natur, pro Kopf und pro Quadratkilometer, dann erhält man einen klaren praktischen Standard zur Messung dessen, was man bis vor kurzem als „Idee des Fortschritts“ bezeichnete.
Doch obwohl die Idee des Fortschritts eine klare Vorstellung eines Ordnungsprozesses und damit zusammenhängender Messungen beinhaltete, war die Unvermeidlichkeit des Fortschritts keineswegs ein klar etabliertes Prinzip. So schien es beispielsweise keine denkbare gewöhnliche mathematische Funktion zu geben, die sicherstellte, daß jeder gültige Fortschritt in der Erkenntnis anwendbarer physikalischer Prinzipien auch zur gesetzmäßigen Schaffung der nächsthöheren Ordnung entdeckter Prinzipien allgemeiner Handlungen führte. Selbst im Fall einer gültigen prinzipiellen Entdeckung gab es keine Gewähr dafür, daß die Gesellschaft solch ein experimentell bewiesenes Prinzip in einer verbesserten gesellschaftlichen Praxis auch realisiert hätte. Betrachtet man die gesamte bekannte Zeitspanne menschlicher Existenz bis zum heutigen Tag, so wurde menschlicher Fortschritt als das wahrscheinliche, aber unsichere Ergebnis der Geschichte in ihrem Gesamtablauf angesehen.
Um den entscheidenden Punkt zu wiederholen: Es war zwar für die moderne europäische Zivilisation klar, daß Fortschritt immer möglich war; doch trat dieser Fortschritt nicht notwendigerweise in einer Form auf, wie man das bei einem einfachen Begriff der physikalischen Wissenschaft hätte erwarten können. Oft kam es zu Stagnation oder gar demographischem und physischem Rückschritt. Tatsächlich wurden im Laufe der langen menschlichen Geschichte und Vorgeschichte viele Stränge kultureller Entwicklung völlig zu Recht als gescheiterte Kulturen beiseitegeschoben. Anhand der katastrophalen Entwicklung oligarchischer Gesellschaftsformen – und das gilt auch für diejenigen, die wie etwa das alte Mesopotamien, die Römer, Byzanz sowie die Azteken relativ lange ihre Herrschaft ausübten – können wir den in der bekannten Geschichte häufigen Fall von Kulturen studieren, die sich selber zum Untergang verurteilt haben und letztendlich untergingen, weil ihnen die „moralische Überlebensfähigkeit“ fehlte.
Wir konzentrieren unser Argument auf die Fragen des pathologischen kulturell-historischen Beispiels, auf das sich Friedrich Schiller bezogen hat, und erwähnen deshalb die schreckliche Geschichte des moralischen Niedergangs Frankreichs in der Zeit seit der Französischen Revolution von 1789. Mit Ausnahme der großartigen beispielhaften Leistungen, die unter Führung der Kreise um Lazare Carnot und Gaspard Monges Ecole polytéchnique in den Jahren 1792–1814 erbracht wurden, erlebte das wiederaufgebaute Frankreich Ludwigs XI. – das bis 1789 der entwickeltste Nationalstaat der Welt war – nach 1789 einen rasanten Abstieg; urplötzlich verließ es den Weg, den die Beteiligung des Marquis de Lafayette an der amerikanischen Revolution bereits vorgezeichnet hatte, und suhlte sich in den berüchtigten Orgien moralischen Zerfalls der „Aufklärung“. Typisch dafür sind die Anhänger Robespierres wie Barras oder Napoleon Bonaparte sowie die französischen Positivisten im allgemeinen.
Warum sich Schiller mit dieser verhängnisvollen Schwäche der französischen Kultur befaßte, drückte er in seinen Briefen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ aus. Obwohl Schillers Absicht aus seinen eigenen Schriften hervorgehen sollte, scheinen die meisten seiner Anhänger die tiefergehenden, entscheidenden ontologischen Folgerungen seiner Argumentation – wie er sie etwa im Fünften dieser Ästhetischen Briefe entwickelt – nur relativ oberflächlich verstanden zu haben, d. h. nicht im Sinne eines relevanten, kognitiv rigorosen Begriffs der Ontologie. Aufgrund meines Werdeganges bin ich besonders qualifiziert, diese ontologischen Folgerungen zu untersuchen, und deshalb ist die Diskussion dieser ontologischen Fragen und deren praktische Folgerungen für die heutige Weltpolitik auch Hauptgegenstand dieses Aufsatzes.
Die nachfolgenden Aufsätze behandeln speziell die Frage der Musik, anhand derer such die ontologische Grundlage für Schillers Einsicht in die Rolle der kulturellen Entwicklung darlegen läßt. Dabei konzentrieren wir uns auf den beispielhaften Fall der klassischen musikalischen Motivführung, die W. A. Mozart in den Grundlagen entdeckte, die J. S. Bach in seinen Werken, etwa in seinem Musikalischen Opfer, gelegt hatte. Diese Entwicklung von Bach über Haydn, Mozart, Beethoven und Brahms, dient hier als Modell für die ontologische Funktion, die den Kern von Schillers Prinzip der ästhetischen Erziehung bildet. Als entscheidend fügen wir Goethes negative Einschätzung der Liedkompositionen Mozarts und Beethovens nach Goethes Gedichten an sowie Schuberts und Schillers gemeinsame Opposition zu Goethe in dieser Frage.
Natürlich bieten wir damit keine umfassende Behandlung der Rolle der klassischen Kultur. Unsere Aufgabe besteht lediglich darin, dem Leser am Beispiel der Musik zu einem Durchbruch im Verständnis der Natur des ontologischen Prinzips in der klassischen Kultur als Ganzer zu verhelfen.